Geschrieben von Jennifer Bullert
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Bei einer Kundgebung unter dem Titel „Shut Down Mietenwahnsinn“ ist es am Samstag zu Ausschreitungen in Göttingen gekommen. Dabei wurden auch acht der 300 eingesetzten Polizeibeamten verletzt. Sie wurden von Flaschen, Möbelstücken und Steinen getroffen, die Bewohner auf sie geworfen hatten. Wegen schweren Landfriedensbruchs und Körperverletzung hat die Polizei daher nun Ermittlungen aufgenommen. Insgesamt hatten sich nach Angaben der Veranstalter von der Basisdemokratischen Linken (BL) rund 250 Menschen an den Protesten beteiligt. Ursprünglich hatte die Veranstaltung am Wilhelmsplatz stattfinden sollen, wurde dann aber an der Groner Landstraße abgehalten. Dadurch wollte sich die BL solidarisch mit den Bewohnern des unter Quarantäne stehenden Wohnkomplexes zeigen. Jedoch eskalierte die Situation und so sei von der Polizei Pfefferspray gegen die Bewohner, darunter auch Kinder, eingesetzt worden, wie die BL schilderte. Sie sprach unter anderem von einer Internierung der Bewohner des Wohnkomplexes und setzte sich für deren Unterbringung in Hotels ein. Dem schloss sich auch die PARTEI Göttingen an. Sie plädiert für ein grundsätzliches Umdenken der Verantwortlichen der Stadt. So sollte ihr zufolge auch das Vorgehen des Krisenstabs einer externen Analyse unterzogen werden. Wie die Sprecherin der BL, Lena Rademacher, erklärte, müsse die Stadt ihrer Verantwortung gerecht werden und vernünftigen und bezahlbaren Wohnraum für alle schaffen. Auch der Allgemeine Studierendenausschuss der Universität Göttingen forderte heute einen Wandel in der Miet- und Wohnungspolitik. Ministerpräsident Stephan Weil bezeichnete die Ereignisse in Göttingen unterdessen als „durchaus besorgniserregend“. Zwar äußerte er Verständnis für die Bewohner des Wohnkomplexes, dennoch empfindet er das Vorgehen der Stadt, die den Gebäudekomplex unter Quarantäne gestellt hat, als verhältnismäßig. Er verurteilte die Angriffe auf die Polizeibeamten und appellierte an die Bewohner, sich an die Vorgaben der Stadt zu halten, um weitere Infektionen zu verhindern. Stadt und Polizei organisierten aufgrund der Vorkommnisse heute eine Pressekonferenz, um Stellung zu beziehen. Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler betonte die inzwischen erreichte soziale Dimension der Corona-Pandemie. Die Stadt habe aber auf privat abgeschlossene Mietverträge kaum Einfluss und vermittle auch keine Transferleistungsbezieher in die Wohnkomplexe, so Köhler. Er unterstütze Verbesserungen, stellte aber auch klar, dass die Stadt der falsche Adressat sei. Dies sei Aufgabe des Gesetzgebers. Derweil kündigte die Initiative Open the Hotels Now Göttingen für morgen ab 17 Uhr eine Kundgebung vor der Groner Landstraße an. In einem offenen Brief an die Stadt kritisierte sie das Vorgehen und forderte ebenfalls unter anderem die kostenlose Unterbringung der Bewohner in Hotels und dass nicht-infizierte Bewohner aus der Quarantäne entlassen werden sollen. Zudem sprach die Initiative von einem Todesfall in dem Wohnkomplex, der sich während der Demonstration ereignet haben soll. Wie die Sprecherin der Polizeiinspektion Göttingen, Jasmin Kaatz, dem StadtRadio heute (22.6.) mitteilte, stehe der Todesfall weder in Zusammenhang mit dem Einsatzgeschehen noch mit einer Corona-Erkrankung, sondern sei natürlicher Art gewesen. Es habe sich um eine 42-jährige Person gehandelt, die ein umfangreiches Krankheitsbild besaß und langjährig erkrankt war.