Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Paula Baierlein
Datum:
Dauer: 04:36 Minuten bisher gehört: 296
Wissenschaftler gibt es ja viele in der Region. Wissenschaftler, die vor der Kamera stehen, eher weniger. Über Christian Riemenschneider – und seine Arbeit – ist ein Dokumentarfilm gedreht worden. Paula Baierlein, unsere Reporterin, hat ihn in seinem Büro besucht und nachgefragt, was es mit seiner Arbeit so auf sich hat.

Manuskript

Text

Direkt als erstes bietet Christian Riemenschneider mir ein Glas Wasser an. Dazu erklärt er: „Wenn man während der Tonaufnahmen trinkt, verbessert das den Klang der Stimme“.

Er kennt sich aus, mittlerweile, denn: Zwar ist er in erster Linie Provenienzforscher, seit neuestem aber auch Protagonist in einem Dokumentarfilm. Der Film „Fragl. Herkunft“, der Ende 2022 Premiere im Melies feierte dreht sich um Riemenschneiders Arbeit, die Suche nach der Herkunft von Museumsobjekten.

 

O-Ton 1: Riemenschneider (22 Sekunden)

Provenienz. Als lateinisches Wort kommt von „provenire“, also Herkunft. Woher kommen die Dinge, Kulturgüter, die in Museum, Bibliotheken oder Archiven sind, welche Vorbesitzer hatten die, unter welchen Bedingungen haben die den Besitzer gewechselt. Und gerade in den letzten Jahren geht es dabei darum, Unrecht bei dem Erwerb zu dokumentieren und rauszubekommen und dann Schritte einzuleiten.“

 

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Seit 2016 erforscht Riemenschneider die Herkunft von Objekten, indem er sich durch die Archive und Sammlungen der Region arbeitet. Das Forschungsprojekt läuft über den Landschaftsverband Südniedersachsen und ist vom Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg gefördert. Die von ihm untersuchten Objekte stammen aus Museen der Region, aus Einbeck, Uslar, Alfeld. Wenn er ein neues Objekt vor sich hat, widmet er sich zuerst den schriftlichen Unterlagen. So versucht er heraus zu bekommen, in welcher Zeit das Objekt ins Museum kam, und wer es dort hin gebracht hat. Besonders relevant für seine Arbeit: Der Zeitraum von 1933 bis 1945, der Zeitraum des Nationalsozialismus.

 

O-Ton 2: Riemenschneider (25 Sekunden)

„… und dann gucke ich gerade bei den Gebern, von denen das Objekt erworben wurde, Wer ist das? Sind das staatliche oder öffentliche Stellen? Ist das das Finanzamt? Da würde ich mir schon mal ein Fragezeichen dahinter machen, weil das Finanzamt mit dem Beginn der Deportation der jüdischen Bürger das Resteigentum eingezogen hat beziehungsweise das Reich und das Finanzamt dann diese Sachen versteigert hat.“

 

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Oft findet er auch an den Objekten selbst Hinweise. Nummern, Etiketten und Namensaufschriften. Diese können dann wiederum verraten, aus welchen Sammlungen die Objekte stammen. Vielleicht ist dort dann noch ein Kommentar im Museumskatalog vermerkt. Manchmal wird er auch in Datenbanken im Internet fündig. Es ist ein bisschen wie Detektivarbeit. Warum er seine Arbeit wichtig findet? Riemenschneider erklärt es mit einem Beispiel:

 

O-Ton 3: Riemenschneider (17 Sekunden)

Ich vergleiche es persönlich mit, wenn mir mein Fahrrad gestohlen wurde oder mein Auto, würde ich mich auch freuen, wenn danach geforscht würde und wenn es wiedergefunden würde. Und ich hätte dann eben die Möglichkeit, das wieder zurückzunehmen.“

 

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Insgesamt 13 Museen in Südniedersachsen haben für Riemenschneider ihre Archive geöffnet. 15 000 Objekte hat er sich seit 2016 angesehen. Sein Ziel ist es, deren Herkunft herauszufinden. In über 350 Fällen stellte er fest, dass die Objekte unrechtmäßig im Besitz der Museen sind. Zwei Objekte sind bisher an ihre Besitzer zurückgegeben worden.

 

O-Ton 4: Riemenschneider (32 Sekunden)

Bei diesen beiden Objekten war eben ganz klar, da handelt sich um zwei Bücher der Freimaurer Loge in Einbeck, beziehungsweise das ehemaligen Altersheims für Freimaurer in Einbeck. Und da ich eben diese Provenienz lückenlos nachverfolgen konnte und dokumentieren konnte, war dann eben klar, die befinden sich eben nicht rechtmäßig im Eigentum des Museums und da hat die Stadt ohne zu zögern dann eben entschieden, das den Einbecker Freimauern, die es bis heute noch gibt, die Loge Georg zu den drei Säulen, diese Bücher eben zurückzugeben.“

 

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Weil die Forschungen in die Coronazeit fielen, und, weil am Ende noch Geld übrig war, ist - statt einer Ausstellung - ein Dokumentarfilm entstanden. Produziert hat ihn die Göttinger Produktionsfirma „Akinema“. Der Film „Fragl Herkunft“ zeigt Riemenschneider bei der Arbeit, wie er sich durch die Museumsarchive wühlt, bei welchen Objekten aus der Region er die Herkunft klären konnte und, bei welchen er noch auf Hinweise angewiesen ist.