Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Roman Kupisch
Datum:
Dauer: 07:28 Minuten bisher gehört: 377
Ende August fand im Europäischen Brotmuseum Ebergötzen ein Fachgespräch zu Landwirtschaftspolitik der EU statt. Geladen hatte die SPD-Politikerin und Landtagskandidatin Bärbel Diebel-Geries. Gekommen waren Landwirte aus der Region und der Europa-Abgeordnete Bernd Lange (SPD). Thema der Veranstaltung waren Gesetzesvorhaben der EU-Kommision zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Das klingt im ersten Moment harmlos, heißt aber konkret, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 um 50 Prozent reduziert werden soll, in einigen Gebieten sollen die Mittel ganz verboten werden. Hier in der Region wären von dem Komplettverbot immerhin 56 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche betroffen. Roman Kupisch war bei der Tagung dabei und hat anschließend mit einigen der Anwesenden gesprochen.

Achim Hübner (2.v.l), Markus Gerhardy (4.v.l.), Bärbel Diebel-Geries (links neben dem Aufsteller), Bernd Lange (rechts neben dem Aufsteller) und die Tagungsteilnehmer auf dem Geländer des Europäischen Brotmuseums in Ebergötzen (Bild: Diebel-Geries)

Manuskript

Text

Der Tagungsort für das Treffen von Politik und Landvolk war gut gewählt. Das Europäische Brotmuseum in Ebergötzen vereint in sich die beiden zentralen Anforderungen, die an die moderne Landwirtschaft gestellt werden. Zum einen soll sie der Aufgabe gerecht werden, einen idyllischen, artenreichen Naturraum zu pflegen – dafür steht die kleine Parkanlage in deren Mitte sich das Brotmuseum und die alte Mühle befinden. Zum anderen aber soll die Landwirtschaft nach wie vor ihrer ureigensten Aufgabe nachkommen, nämlich die Versorgung mit Lebensmitteln also bildlich gesprochen mit Brot. Aber längst geht es nicht mehr nur um Brot. In Teilen der Landwirtschaft geht es um unvorstellbar große Mengen an Schlachtvieh und eine industrielle Produktion für die internationalen Getreidebörsen. Die EU-Kommission reagiert darauf mit einem generellen Pestizid-Verbot. Für die Landwirte in der Region ist das eine Stumpfe Waffe, aber eine die erhebliche Schäden anrichtet. In bestimmten Gebieten Pestizide ganz zu verbieten birgt erhebliches Konfliktpotential. Dennoch zieht der EU-Abgeordnete Bernd Lange (SPD) eine positive Bilanz von dem Treffen.

 

O-Ton 1, Bernd Lange

"Ich fand es gar nicht so kontrovers, ich fand es sehr konstruktiv, dass wir wirklich mal einen Konsens darüber erzielt haben, dass wir bestimmte Veränderungen in der Landwirtschaft brauchen,.Explizit zum Beispiel in der Reduzierung des Pestizideinsatzes, weil Pestizid objektiv eine Gefährdung der biologischen Vielfalt, aber auch der menschlichen Gesundheit darstellt."

 

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Das fanden im Grunde auch die anwesenden Landwirte so. Allerdings: aus ihrer Sicht heißt das worum es geht nicht Pestizid oder Herbizid, sondern Pflanzenschutzmittel – immerhin schützen diese Mittel ihre Ernten vor Pilz- oder Insektenbefall und davor von anderen Pflanzen überwuchert zu werden. Das ändert aber nichts am grundsätzlichen Problembewusstsein. Für Kreisbauernverbandführer Achim Hübner ist klar: Naturschutz ist keine Firlefanz, sondern schützt langfristig gesehen auch die Wirtschaftsgrundlage der Landwirte.

 

O-Ton 2, Achim Hübner

"Das ist natürlich ist das so, das ist gar keine Frage. Das wir grundsätzlich in der Natur wirtschaften ist doch völlig klar und wenn die Natur drumherum im Eimer ist und die Wetterkapriolen und die Wetterextreme zunehmen, dann fällt uns das auch auf die Füße, dass ist überhaupt keine Frage, das ist so. Aber für diese Überlegung hat man nur Zeit, wenn man im Moment klar ist, dass alles läuft und man da überhaupt Gestaltungsmöglichkeiten hat."

 

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Und die scheinen im Moment nicht gegeben. Daran ist ausgerechnet das gedeihliche Miteinander von Landwirtschaft und Kommunalpolitik nicht ganz unschuldig. Gebiete, in denen die Bauern so schonend oder zumindest so wenig ruinös gewirtschaftet haben, dass dort Tiere und Pflanzen geeignete Lebensbedingungen fanden, wurden von den Behörden als sogenannte FFH-Gebiete gekennzeichnet. Das Kürzel FFH steht für Flora-Fauna-Habitat. In dem Bestreben den Naturschutz weiter voran zu treiben hat die EU-Kommission nun den Vorschlag gemacht unter anderem in diesen FFH-Gebieten den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln komplett zu verbieten. Für die Landwirte entsteht so der Eindruck: Wer guten Willens ist zahlt drauf. Und nicht nur die Landwirte finden das, sondern auch die Kommunalpolitik. Bärbel Diebel Geries Landtagskandidatin der SPD aus Duderstadt hatte sich maßgeblich für mehr Naturschutz in der Region eingesetzt. Sieht sich jetzt aber zusammen mit den Landwirten von der EU hintergangen.

 

O-Ton 3, Bärbel Diebel-Geries

"Also die Landwirte sind schon sehr daran interessiert, dass man Dinge umsetzt, die auch zielführend sind. Leider haben wir in der Vergangenheit auch Naturschutzmaßnahmen umgesetzt, die nicht zielführend waren, zum Beispiel wenn man die Bewirtschaftung komplett aufgibt, dann geht es halt über Sukzessionsstufen in eine meistens gar nicht so artenreiche Biotopgesellschaft. Und wenn man jetzt sozusagen über unseren Beschluss hinweg noch Höheres ansetzt, frag ich mich natürlich schon, warum hat man uns als Landkreis diese Aufgabe gegeben, wenn man dann von oben herab das noch mal ganz anders regelt."

 

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Markus Gerhardy, Landwirt aus Gieboldehausen, war bei dem Treffen in Ebergötzen auch dabei. Wir haben ihn telefonisch auf seinem Acker bei Obernfeld erreicht. Passend zum Thema spritzt er gerade Pflanzenschutzmittel. Natürlich kritisiert auch er den Vorstoß der EU-Kommission, aber nicht weil er das Problem eines extensiven Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln nicht erkennen würde, sondern weil die Maßnahmen aus seiner Sicht eben alles andere als Zielgenau sind, denn:

 

O-Ton 4, Markus Gerhardy

"Diese Maßnahme an sich konterkariert den mühsam erarbeiteten niedersächsischen Weg. Wir haben in Südniedersachsen einen Pilotbetrieb aus diesem Gedanken heraus, der den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, insbesondere auch in erosionsgefährdeten Lagen im Eunzugsgebiet des Seeburger Sees untersuchen und praxistauglich umsetzen soll, dieser Ansatz ist gänzlich tot, da die Flächen, die im Fokus stehen, dann von dem Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln betroffen sind und es keine Antwort darauf gibt, wie man dort sinnvoller Weise Erosionsschutz und eine landwirtschaftliche Produktion in Einklang bringen soll."

 

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Natürlich ist er als Landwirt daran interessiert ungestört wirtschaften zu können. Doch seine Einwände sind wohl nicht nur vorgeschoben. Denn die Zusammenarbeit für den Umweltschutz funktioniere gut im Landkreis, das betont zumindest Diebel Geries. Deswegen sei ja auch die Fläche der Schutzgebiete hier in der Region so besonders hoch. Landwirte und Politik sind sich also einig, dass der Vorstoß der EU-Kommission so wie angedacht nicht umgesetzt werden kann. Das kam auch bei dem EU-Abgeordneten Bernd Lange so an. Er weiß:

 

O-Ton 5, Bernd Lange

"Weil wir brauchen einen funktionierenden landwirtschaftlichen Sektor. Und es gab einen Konsens, dass der Vorschlag der EU-Kommission, jetzt generelles Verbot von Pestiziden, dass das nicht geht. Und insofern nehm ich das noch mal mit, den konstruktiven Dialog, die Frage der konkreten Maßnahmen zur Reduzierung des Pestizideinsatzes und bin mir sicher, dass im Laufe des Gesetzgebungsprozesses was vernünftiges dabei herauskommen kann."

 

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Das kann man natürlich nur hoffen. Allerdings ist das Vertrauen in die Abläufe solcher Entscheidungen erst einmal erschüttert. Ganz egal, ob das Verbotsvorhaben nun so umgesetzt wird wie gedacht oder nicht. Dass der Ärger der Landwirte seinen Weg über die Institutionen bis an die Spitze der Entscheidungsträger finden wird, ist durchaus denkbar. Dennoch bleiben bei Kreisbauernverbandführer Hübner generelle Bedenken:

 

O-Ton 6, Achim Hübner

"Die Forderung aus unserer Sicht ist ja im Grunde genommen viel weitreichender. Es geht ja jetzt nicht darum an irgendwelchen Symptomen rumzudoktern, sondern eigentlich müsste man überlegen, ob der Grundansatz hier überhaupt richtig gewählt ist. Also erstmal die Überzeugung Pflanzenschutzmittel soweit wie möglich zu reduzieren, da gibt es überhaupt kein Zweifel dran, da sind wir natürlich mit dabei, gar keine Frage, aber dann muss man überlegen, wie man das Ziel erreicht – durch so ein plumpes Verbot, das ist einfach schon vom Grundsatz her falsch und es wird niemand mehr den Mut haben in solchen Verfahren zu sagen: wir fangen dann einfach mal von vorne an."