Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Emilia Kröger
Datum:
Dauer: 04:39 Minuten bisher gehört: 533
Klimawandel, Klimakrise, Klimadebatte und Klimaschutz – spätestens seit Greta Thunberg sind diese Wörter nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Auch die Politik spürt den zunehmenden Druck von einer wachsenden Anzahl an Demonstrationen und Petitionen. Umweltbewegungen wie Greenpeace oder Fridays for Future fordern die Einhaltung des Pariser Klima-Abkommens. Darüber hinaus gibt es inzwischen jedoch eine Bewegung, die nicht nur radikalere Forderungen, sondern auch andere Mittel einsetzt: Die Rede ist von Extinction Rebellion. Emilia Kröger hat mit Lars Werner gesprochen. Er ist bei der Göttinger Ortsgruppe von Extinction Rebellion aktiv.
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Lars Werner von Extinction Rebellion Göttingen (Bild: Emilia Kröger).

Manuskript

Text

Extinction Rebellion, das bedeutet übersetzt in etwa Aufstand gegen das Aussterben. Ausgerufen wurde dieser Aufstand das erste Mal im Herbst 2018 in Großbritannien. Die mediale Aufmerksamkeit kam dann vergangenen Oktober, als Klima-Aktivisten der Bewegung für einige Tage in London Straßenkreuzungen blockierten. Auch in Deutschland haben sich inzwischen verschiedene Ortsgruppen von Extinction Rebellion gegründet. Eine von ihnen legte in Berlin sogar ebenfalls den Verkehr lahm, was auch viel Kritik einbrachte. In Göttingen sind solche Aktionen bis jetzt noch nicht geplant. Lars Werner ist bei Extinction Rebellion aktiv. Er erklärt, dass das Ziel der Veranstaltungen in Göttingen zuallererst Aufklärung sei.

 

O-Ton 1, Lars Werner, 25 Sekunden

Hier in der Ortsgruppe Göttingen versuchen wir, auf das Thema aufmerksam zu machen und die Leute darüber zu informieren, wie schlimm und dramatisch die Lage tatsächlich ist. Dafür halten wir regelmäßig Vorträge, es gibt Einstiegsabende, wenn man bei uns in der Ortsgruppe mitmachen möchte. Oder wir veranstalten auch immer wieder kleinere auch legale Aktionen hier in Göttingen, um dann mit den Leuten in Kontakt zu kommen und sie auf das Thema aufmerksam zu machen.

 

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Die Forderungen der Bewegung unterteilen sich in drei Hauptziele: Zuerst wollen die Unterstützer von Extinction Rebellion, dass die Politik die Bedrohung der Klimakrise anerkennt und den Klimanotstand ausruft. Als zweites soll dann ein sofortiges Handeln der Regierung erfolgen, um bis 2025 die Emissionen auf ein Netto-Null zu senken. Die dritte Forderung verlangt, Bürgerversammlungen einzuberufen, die ein Mitspracherecht in der Klimapolitik erhalten. Auch wenn diese Forderungen sich mit vielen anderen Umweltbewegungen decken, gibt es zu Extinction Rebellion einen relevanten Unterschied. Denn statt nur Demonstrationen und informative Veranstaltungen, so Werner, will die Bewegung auch Mittel des zivilen Ungehorsams einsetzen.

 

O-Ton 2, Lars Werner, 33 Sekunden

Ich würde das so definieren, dass man sagt: Wie es momentan läuft, das machen wir nicht weiter mit. Wir tragen das nicht weiter mit, dass hier täglich Prozesse ablaufen, die unsere Lebensgrundlagen und damit unsere Zivilisation, unseren Rechtsstaat, unsere Demokratie in ihren Grundfesten bedrohen. Und deswegen sagt: Nein, stopp! Einfach jetzt aufhören, und deswegen setzen wir uns jetzt hier auf diese Straße und blockieren, stören den Alltag, stören die normalen gesellschaftlichen Abläufe, um zu zeigen: Wir müssen jetzt aufhören, wir müssen etwas anderes machen.

 

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Trotz eines großen Zuwachses an Unterstützern, erntet Extinction Rebellion auch Kritik. Und das nicht nur von Autofahrern und Pendlern, die sich über Verkehrsblockaden ärgern. So löste Robert Hallam, einer der Mitbegründer der Bewegung, nach einer Äußerung zum Holocaust Wut und Empörung aus. In einem Interview relativierte Hallam die Schoa und bezeichnete sie als „fast normales Ereignis“. Die deutschen Extinction Rebellion-Gruppen distanzierten sich sofort von diesen Aussagen. Auch in der Ortsgruppe Göttingen hätten Hallams Äußerungen zu Diskussionen geführt, sagt Werner, denn solche Äußerungen seien natürlich inakzeptabel. Daneben gibt es jedoch noch einen weiteren Kritikpunkt: Wegen teils sehr drastischen Formulierungen wird Extinction Rebellion vorgeworfen, Angst zu verbreiten und Emotionen zu schüren.

 

O-Ton 3, Lars Werner, 32 Sekunden

Ich kenne diese Kritik und ich kann die Kritik auch sehr gut nachvollziehen, denn ja bei uns in der Gesellschaft ist es auch aus gutem Grund so, dass man eben wenn man ja Politik macht, eben das nicht versucht, so sehr zu emotionalisieren, damit man ja rationale, gute Entscheidungen treffen kann. Wir glauben aber, dass die Klimakrise, diese existenzielle Bedrohung, die die nun mal darstellt, dass da Angst ein angemessenes Gefühl ist. Und dass es auch ein Gefühl ist, was ja da sein sollte, um in eine angemessene Handlung auch zu kommen, um diese Krise zu bewältigen. Denn das ist eine Katastrophe für die Menschheit.

 

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In Extinction Rebellion habe Werner das erste Mal eine Bewegung gefunden, mit der er das Gefühl habe, wirklich etwas erreichen zu können. Denn die Bedrohung durch die Klimakrise habe vorher für ihn nur Hilflosigkeit bedeutet. Außerdem gefalle ihm der Grundsatz des respektvollen Umgangs mit jedem, auch Polizisten und Politikern. In London hat Extinction Rebellion inzwischen erste Erfolge zu vermelden: Dort wurde vom britischen Parlament der Klimanotstand ausgerufen. Auch in Deutschland setzen vermehrt Städte auf den Appell. Der Bundestag hatte im Juni jedoch noch dagegen gestimmt, den Klimanotstand auszurufen.