Kinderarmut in Südniedersachsen
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Asja Wortmann |
Datum: | |
Dauer: | 03:34 Minuten bisher gehört: 192 |
Manuskript
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Kein Geld für ein Geburtstagsgeschenk, einen Füller oder einen neuen Schulranzen - Kinderarmut ist nach wie vor Thema in Südniedersachsen. Betroffen ist rund jedes vierte Kind. Michael Stechbart arbeitet beim Kinderschutzbund Göttingen. Er sagt, betroffen sind besonders Kinder mit Migrationsgeschichte - und Kinder von alleinerziehenden Müttern. Er macht für diese Tatsache auch die Gesellschaft verantwortlich:
O-Ton 1, Michael Stechbart, 23 Sekunden
"Wir haben die Vorstellung, dass an das weibliche Geschlechtsrollenmodell Fürsorge und Rekreation gebunden ist. Das heißt Frauen, wenn sie merken, das ist nun doch nicht mein Lebenspartner und sich trennen oder umgekehrt, haben in der Regel sie die Kinder und damit die Arschkarte. Nicht, weil das nicht schön ist mit Kindern, sondern es ist einfach ein materielles Risiko."
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Was bedeutet Armut für Kinder? Stechbart sagt, es sind die Kleinigkeiten. Kleinigkeiten, die den Kindern das Gefühl geben, nicht dazu zu gehören. Luise Schünemann arbeitet im Göttinger Stadtteil Grone bei der Arche. Hier können die Kinder und Jugendlichen nach der Schule hinkommen. Die Arche bietet Struktur, hilft bei den Hausaufgaben, am Abend wird gemeinsam gegessen. Die Angst nicht dazu zu gehören, hat auch Schünemann beobachtet:
O-Ton 2, Luise Schünemann, 30 Sekunden
"Ganz oft, ganz ganz oft denken sich Kinder Geschichten aus. Also dann sagt ein Kind: "Guck mal, ich habe irgendwie neue Nike-Schuhe bekommen" - das war in diesem Jahr der Renner - und dann kommt ein anderes Kind und sagt: "Ja, ich habe auch zehn Paar Nike-Schuhe zu Hause." Also sie versuchen es immer mit Geschichten, wo man wirklich weiß, ok, es stimmt nicht, dazu zu gehören. Es ist so ein enormer Druck für die Kinder, nicht aufzufallen. Wahrscheinlich weil sie es doch bemerken und sie doch so oft drauf gestoßen werden, dass sie da eben nicht teilnehmen können oder nicht dazu gehören."
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Doch fehlt in einigen Familien nicht nur Geld. Manchmal fehlt auch jemand, der die Kinder unterstützt. Schünemann über Armut, die noch weniger sichtbar ist:
O-Ton 3, Luise Schünemann, 50 Sekunden
"Emotionale Armut ist eher, dass die Kinder, warum auch immer, es geht nicht darum zu sagen, die Eltern haben kein Bock, sondern es gibt viele, viele, viele Gründe, warum nun zu Hause es den Kindern fehlt, dass jemand zuhört oder dass den Kindern Vorbilder fehlen oder genau, dass Unterstützung fehlt. Wie eben das mit dem Hobby, dass die Kinder dann niemanden zu Hause haben, der oder die sie unterstützt darin. Oder in der Schule, dass Kinder auf ihrem Bildungsweg begleitet werden, in ihrer Entwicklung gefördert werden. Bei manchen Kindern fehlt auch Liebe und Zuneigung und Zuwendung und einfach diese Wärme. Einfach Personen, die irgendwie die Wertschätzung zeigen, ihnen zeigen: du bist was wert. Und es geht vielleicht nicht immer darum, dass du das coolste Handy hast, sondern du allein bist wertvoll."
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Schünemann wünscht sich, dass die Situation von armen Familien nicht verallgemeinert wird. Oft stecken Schicksale hinter der Armut, sagt sie. Einige Eltern haben zwei oder drei Jobs, für staatliche Hilfe verdienen sie gerade zu viel. Sie fallen durchs Raster. Und auch das Bürgergeld reicht für Kinder nicht aus, sagt Michael Stechbart vom Kinderschutzbund. Er fordert die Kindergrundsicherung. Er spricht von rund 800 Euro für jedes Kind, jeden Monat.
O-Ton 4, Michael Stechbart, 13 Sekunden
"Das Zeichen wäre ein anders. Wenn wir sagen würden, für Kinder steht das bereit. Selbstverständlich. Wir wollen Kinder und da reden wir nicht über Kosten, sonder das ist erst mal alles da."
Zur Verfügung gestellt vom StadtRadio Göttingen
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