Eingreifen statt Wegschauen - Göttinger Zivilcouragepreis 2024
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Annika Quentin |
Datum: | |
Dauer: | 04:53 Minuten bisher gehört: 278 |
Manuskript
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Vielleicht haben Sie das auch schon einmal erlebt. Sie waren im Bus, im Supermarkt oder in der Fußgängerzone. Sie sehen, wie ein Mensch auf einen anderen Menschen losgeht, ihn beleidigt oder körperlich verletzt. Vielleicht schauen Sie weg und tun so, als würden Sie es nicht sehen. Wie viele andere um Sie herum auch. Oder aber Sie entscheiden sich, zu helfen. Sei es, indem Sie die Polizei rufen oder eingreifen, natürlich ohne Ihre eigene Sicherheit zu gefährden. Wenn Sie sich entscheiden zu helfen beweisen Sie Zivilcourage. Der Begriff Zivilcourage ist fester Bestandteil unserer Alltagssprache. Doch was bedeutet er eigentlich genau? Claudia Wittenstein von der Stadt Göttingen erklärt es so:
O-Ton, Claudia Wittenstein, 19 Sekunden
Ich würde das mal übersetzen mit sozialen Mut, wenn Menschen aufmerksam sind, wenn Sie eine blöde Anmache mitbekommen im Bus, im Supermarkt, wenn Sie dazu Stellung beziehen. Sie müssen nicht und sollen nicht Ihr eigenes Leben gefährden.
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Es gibt viele verschiedene Arten von Zivilcourage. In allererster Linie geht es darum, anderen Menschen in Notsituationen zu helfen. Auch im Internet können wir Zivilcourage zeigen, indem wir undemokratische und menschenfeindliche Beiträge melden und bedrohte oder angegriffene Personen unterstützen. Im realen Leben ist es das oft noch schwieriger, besonders wenn Gewalt im Spiel ist. Umso wichtiger ist es, die eigene Unversehrtheit nicht zu gefährden. Was Mensch konkret in einer Bedrohungssituation konkret tun kann, erklärt Claudia Wittenstein:
O-Ton, Claudia Wittenstein, 27 Sekunden
Also man muss nicht unbedingt selbst einschreiten. Also meistens kann man ja die Bedrohlichkeit der Situation schon irgendwie einschätzen. Man muss nicht seine eigene Unversehrtheit riskieren. Also dann in dem Fall immer versuchen Leute noch mit anzusprechen oder die Polizei zu informieren, natürlich. Aber wichtig ist immer sich Unterstützung zu holen sofern das irgendwie geht.
Text
Die Polizei zu rufen ist in Zeiten, in denen wir immer ein Handy in der Hand haben, kein Problem. Andere Personen anzusprechen und um Unterstützung zu bitten, kann schon mehr Überwindung kosten. Wichtig ist es hier, Personen direkt anzusprechen. Statt zu fragen: „Kann mir mal jemand helfen? Hier wird jemand bedroht“ sollte man also lieber sagen: „Sie da in der roten Jacke, bitte helfen Sie mir.“ Auch wenn es nicht einfach ist, ist es wichtig, dass Menschen genau das tun. Und dennoch bekommen jene, die couragiert eingreifen, oft wenig öffentliche Wertschätzung. Um das zu ändern und um uns alle zu ermutigen, mehr Zivilcourage zu zeigen, wurde der Göttinger Zivilcouragepreis ins Leben gerufen. Es gibt ihn seit den frühen 2000er Jahren mit einer zeitweisen Unterbrechung. Seit 2013 wird er wieder jährlich verliehen. Zuständig für den Preis sind der Präventionsrat für die Stadt Göttingen und die Bürgerstiftung Göttingen. Siegfried Lieske ist im Vorstand der Bürgerstiftung und berichtet, welche Art von sozialem Einsatz der Preis auszeichnet:
O-Ton, Siegfried Lieske, 33 Sekunden
Da gibt es die jungen Frauen, die an einem Unfall vorbeikommen, ein Auto brennen sehen und die Menschen aus dem Auto ziehen. Dazu gehört Zivilcourage, man kann auch sagen Mut in dem Fall. Da gibt es den anderen Menschen, den haben wir vor einigen Jahren aufgezeichnet, der über die Autobahn fährt Richtung Kassel und auf der Werrabrücke jemanden sieht, der sich in den Tod stürzen will., der anhält und auf diesen Menschen zugeht und zwei Stunden mit ihm spricht, bis er die Position von der er springen will verlässt. Auch dazu gehört viel Zivilcourage.
Text
In Zeiten, in denen man sich zunehmend Sorgen um die Zukunft der Demokratie und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft machen muss, ist Zivilcourage wichtiger denn je. Dazu passt auch das Motto des Preises aus diesem Jahr, wie Siegfried Lieske erzählt:
O-Ton, Siegfried Lieske, 23 Sekunden
Rein zufällig haben wir für dieses Jahr ein Motto gewählt das lautet „Wo Zivilcourage keine Heimat hat, reicht die Freiheit nicht weit“, ein Ausspruch von Willi Brandt. Ich glaube aktueller kann eigentlich ein Motto derzeit gar nicht sein. Zivilcourage zu zeigen um Demokratie zu verteidigen, ist ein ganz wichtiges, gerade in diesen Zeiten.
Text
Ohne Menschen, die beherzt und mutig eingreifen, würde unsere Gesellschaft nicht funktionieren. Deswegen sollten wir Ihnen viel mehr Aufmerksamkeit schenken und ihnen danken. Wenn auch Sie jemanden kennen, der für einen anderen Menschen eingetreten ist, können Sie die Person für den Göttinger Zivilcouragepreis 2024 noch bis zum 6. Februar bei der Bürgerstiftung vorschlagen.
Links / Verweise
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