Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Anastasia Tschusovitin
Datum:
Dauer: 05:12 Minuten bisher gehört: 191
Wenn Sie morgens Ihren Wecker hören, schauen Sie vielleicht wie die meisten Menschen erst einmal auf Ihr Smartphone. Neben dem Computer oder Tablet ist dieses in der heutigen Zeit schließlich unser wichtigster Freund und Helfer. Wir nutzen es nicht nur als Wecker, sondern auch zum Chatten, für Online-Banking und -Shopping oder um uns über aktuelle Tagesthemen zu informieren. Schneller als gedacht kann der einfach Gebrauch von solchen Geräten aber zu einer echten Sucht werden. Anastasia Tschusovitin hat sich für uns über die Mediensucht und über mögliche Prävention informiert.

Manuskript

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Das Internet ist für viele zurzeit die einzige Möglichkeit, um mit der Familie und den Freund*innen in Kontakt zu treten. Aber auch Freizeitaktivitäten, der Schulunterricht und berufliche Tätigkeiten finden aktuell überwiegend online statt. Da ist es nicht verwunderlich, dass bei so häufiger und vielfältiger Nutzung manche Menschen beginnen, eine Abhängigkeit gegenüber den digitalen Geräten und Medien zu verspüren. Gefährlich wird es vor allem dann, wenn es zu einem übermäßigen Konsum und damit zu einer Mediensucht kommt. Doch woran lässt sich eine Mediensucht konkret erkennen? Verena Freynik ist Sozialpädagogin, Sozialarbeiterin und Suchtherapeutin bei der Fachstelle für Sucht und Suchtprävention des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Göttingen. Sie sagt, dass sich eine Mediensucht unterschiedlich äußern kann. Allgemein gilt aber:

 

O-Ton 1, Verena Freynik, 25 Sekunden

Wenn es zu einer Vernachlässigung sozialer Verpflichtungen oder Aktivitäten, aber auch beruflicher und schulischer kommt. Wenn ich also meinen Aufgaben da nicht mehr nachgehe oder meine Kontakte nicht mehr so pflege. Ja, wenn ich merke: Ich denke häufig daran, das Medium zu gebrauchen.Wenn ich so denke: Ach, ich freue mich da schon richtig drauf. Gleich habe ich wieder die Möglichkeit.‘ [Man könnte] es als Drang beschreiben.

 

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Die genaue Zahl der Menschen, die ernsthaft unter einer Mediensucht leiden, lässt sich noch nicht genau erfassen. Freynik ist sich aber sicher, dass sich die Corona-Pandemie auf das Ausmaß der problematischen Mediennutzung auswirkt, welche sich vermutlich in den nächsten ein bis zwei Jahren feststellen lassen wird. Die bisherigen Auswertungen der Fachstelle für Sucht und Suchtprävention Göttingen zeigen nach heutigem Wissensstand, dass die Zahl der Hilfesuchenden im Jahre 2020 im Vergleich zum Jahr 2019 gleichgeblieben ist. 2020 haben 71 Prozent der an einer Mediensucht erkrankten Menschen selbst und in 29 Prozent der Fälle Angehörige, die Suchtberatung kontaktiert. Auf die Frage, welche Altersgruppe am häufigsten Hilfe sucht, antwortet Freynik:

 

O-Ton 2, Verena Freynik, 36 Sekunden

Die Altersspanne ist tatsächlich ein Spanne von 16-Jährigen bis 67-Jährigen. Wobei natürlich tatsächlich die größte Zahl der Ratsuchenden sich in dem Bereich von 16 bis 30 bewegt. Wobei wir wirklich wissen, dass die Medienproblematik in allen Altersstufen vertreten ist. Gerade daran auch denken, an Renteneintritt. Auch da ist es immer wieder häufiger zu bemerken, dass Medien da einen großen Teil der Freizeitgestaltung auch übernehmen.

 

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Kirstin Otte ist ebenfalls bei der Fachstelle für Sucht und Suchtprävention des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Göttingen tätig. Sie sagt, dass es vor allem in der heutigen Zeit wichtig sei, seinen Medienkonsum zu überwachen und sich darüber bewusst zu werden. Sich selbstkritisch zu hinterfragen, sei ein erster Schritt:

 

O-Ton, Kristin Otte, 37 Sekunden

Ganz allgemein kann man sagen, ist es immer hilfreich, wenn man sich einmal selbst mit seiner Mediennutzung auseinandersetzt und mal schaut: Was nutze ich überhaupt? Also was sind so meine Medien, die ich brauche? Wo verbringe ich auch meine meiste Zeit? Wieso mache ich das? Mache ich das, um Stress abzubauen? Mache ich das aus Langeweile? Oder mache ich es, um Corona-bedingt Kontakte überhaupt pflegen zu können?Dann auch dabei zu schauen: Wie würde ich reagieren, wenn ich es nicht machen könnte? Wie würde es mir gehen, wenn ich morgen nicht direkt auf mein Handy schauen könnte, um in meinen Instagram-Account zu gucken? Werde ich dann unruhig? Werde ich nervös?‘“

 

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Home-Schooling, Home-Office oder Online-Vorlesungen – vor allem jetzt in der Corona-Pandemie arbeiten viele Menschen am Computer oder Tablet. Es ist aber wichtig, Arbeit und Freizeit zu trennen. Auch wenn das gleiche Medium genutzt wird, sollte nicht während der Arbeit nebenbei ein privates Online-Video geguckt werden – allein schon, weil das arbeitsrechtlich problematisch sein könnte.Wichtig sei laut Otte vor allem:

 

O-Ton, Kristin Otte, 30 Sekunden

Dass man sich medienfreie Zeiten schafft, auch im Alltag. Da sollte insbesondere Mahlzeiten sind so der Klassiker dass man die nicht vor dem Smartphone, vorm Fernseher, vorm Computerspiel oder oder oder einnimmt. Also auch die Zeiten vor dem Schlafen, empfehle ich immer da möglichst zu gucken, dass man das Handy nicht mit ins Bett nimmt. Dass der Schlafraum wirklich ein medienfreier Raum ist, auch wenn es vielen schwer fällt.

 

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Ein weiterer Tipp ist, die Einstellung seiner Endgeräte anzupassen. Durch das Ausschalten der Push-Benachrichtigungen gibt es so weniger Ablenkungen. Außerdem kann es hilfreich sein, sich eine begrenzte Benutzungszeit für die Apps einzustellen. Für Menschen, die merken, dass der Medienkonsum immer mehr wird oder sich einfach mehr mit der Mediennutzung auseinandersetzen wollen, bietet die Suchtberatung Göttingen das Selbstkontrolltraining für Mediennutzung namens SKOLL an. Dabei wird Menschen geholfen, mehr über die eigene Nutzungsweise von Medien zu lernen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzen sich kleine Wochenziele im Bezug auf den Medienkonsum. In den wöchentlichen Gruppensitzungen wird die Umsetzung dieser Ziele reflektiert und besprochen. So unterstützt das Programm auch bei der Verhaltensänderung in Bezug auf den Medienkonsum.