Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Laura Stephan
Datum:
Dauer: 05:30 Minuten bisher gehört: 197
Ein turbulentes Jahr neigt sich dem Ende zu. Jetzt, in den letzten Wochen von 2020, besinnen sich viele darauf zurück, was in diesem Jahr überhaupt alles passiert ist. Angesichts der Corona-Pandemie und all ihrer Auswirkungen ist das erste Gefühl, dass viele gegenüber den vergangenen Monaten haben, vermutlich nicht unbedingt Dankbarkeit. Inmitten all der Herausforderungen gibt es aber trotzdem vieles, wofür jede und jeder dankbar ist: Um das sichtbar zu machen, hat der Göttinger Verein Pro City sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen und die Aktion „Göttingen sagt danke“ ins Leben gerufen. Noch bis zum 11. Januar können alle Bürgerinnen und Bürger einen Dankesstern ausfüllen und an den großen, goldenen Stern in der Fußgängerzone kleben. Unsere Reporterin Laura Stephan fand die Idee so gut, dass sie wissen wollte, wie die Aktion zustande gekommen ist. Dafür hat sie mit der Pro City Geschäftsführerin Elisabeth von Alvensleben und dem Kinder- und Jugendtherapeuten Stephan Jürgenliemk gesprochen:

Manuskript

Text

Dem ein oder anderen ist sicherlich schon der große, goldene Stern in der Fußgängerzone der Weender Straße aufgefallen. Der Stern ist dicht bespickt mit vielen Dankes-Botschaften, die auf kleineren Papiersternen stehen und von Passantinnen und Passanten ausgefüllt wurden. Der Göttinger Stadtmarketing-Verein Pro City unter der Leitung von Elisabeth von Alvensleben ist Initiator der Aktion und hat diese Kampagne aus einem ganz besonderen Grund ins Leben gerufen:

 

O-Ton 1, Elisabeth von Alvensleben, 20 Sekunden

Pro City hat sich überlegt, dass in schlechten Zeiten, für alle mit Kummer und Sorgen verbunden, etwas Positives gemacht werden muss. Wir wollten einfach nur einen positiven Impuls setzen und jedermann die Chance geben, darüber nachzudenken ob man jemandem oder für etwas „Danke“ sagen kann und darüber auch ein bisschen Zeit verbringen.“

 

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Ein „Danke“ das von Herzen kommt, darum dreht sich die Aktion also. Vielleicht gerade das richtige, in dieser sonst eher trüben und dunklen Jahreszeit. Doch was steckt eigentlich genau hinter einem „Danke“? Für den analytischen Kinder und Jugendtherapeut Stephan Jürgenliemk ist Dankbarkeit ein komplexer Vorgang der in dem ersten Lebensjahr entsteht:

 

O-Ton 2, Stephan Jürgenliemk, 29 Sekunden

Dankbarkeit ist ein Gefühl. Die Voraussetzung, dankbar zu sein ist etwas, was ganz früh, im Säuglingsalter schon, gelernt wird. Während des Stillens, der Augenkontakt zwischen Mutter und Kind, wo sozusagen dann beide ineinander versinken und dann eine tiefe Beziehung haben und dann gibt es so Momente – kann man beobachten – wo das Kind den Arm der Mutter streichelt, beim Stillen, mit der Hand. Das ist sozusagen eine Gegenbewegung oder die Hand in den Mund legt. Das ist so etwas wie zurückgeben.“

 

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Dankbarkeit kann man sagen, ist also ein „Grundgefühl“. Es ist auch eine Art, psychisch Balance zu halten. Zum Beispiel: ‚Ich bin dankbar, dass es mir gut geht, auch wenn es anderen gerade nicht so gut geht.‘ Jürgenliemk gibt weitere Aspekte preis, was Dankbarkeit außerdem ausmacht und welche Eigenschaft für dieses Empfinden Voraussetzung ist:

 

O-Ton 3, Stephan Jürgenliemk, 25 Sekunden

Also, um das Gefühl von Dankbarkeit haben zu können, muss man sich bezogen fühlen. Das heißt, ich bin tatsächlich von jemandem abhängig. Und das macht ja Beziehung aus, ich habe Freunde, denen helfe ich und die helfen mir – dieses Wechselspiel. Das heißt, innerhalb einer Beziehung fühlt man sich dankbar. Man muss es aber erst einmal fühlen und dann gibt es die entsprechenden Ausdrucksformen. Das kann auch eine Konvention sein, also wenn ich jetzt eingeladen werde, dann weiß ich, muss ich ein bestimmtes Geschenk (mitbringen).“

 

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Ein „Danke“ kommt eben nicht immer von Herzen, sondern wird manchmal auch schlichtweg aus reiner Freundlichkeit hervorgebracht. Ausdrucksformen von Dankbarkeit sind übrigens ganz banale Dinge. Das kann ein Lächeln sein; der Kaffee am Morgen, der ans Bett gebracht wird; ein Streicheln über die Wange; das Übernehmen von ungeliebten Aufgaben im Haushalt oder Ähnliches und muss nicht immer das große Banner über der Brücke am Leineufer sein. Doch kommen wir zurück zur Pro City Aktion: Von Alvensleben hat sich nämlich auch schon Gedanken darüber gemacht, wie die beschriebenen Dankes-Sterne nach dem abhängen verwendet werden sollen:

 

O-Ton 4 Elisabeth von Alvensleben, 33 Sekunden

Die Dankeskarten werden jeden Tag fotografiert. Sie werden auf unseren „Onlinemedien“ – vielleicht nicht alle – weil der Zustrom wirklich sehr groß ist, aber in großen Teilen auch abfotografiert und ins Netz gestellt. Wir wollen, dass möglichst viele Bürger auch Bastelaktionen draus machen, vielleicht selber sich ein Mobile bauen. Wir haben noch lauter andere Ideen, die wir mit der Kunst und der Kultur in Göttingen verhandeln, ob die zu Gedicht oder Musik oder Videos oder so etwas, nochmal unseren Dank weiterverbreiten über die ganze Stadt.“

 

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Ideen, wie mit den Dankeskarten weiter verfahren wird, gibt es also schon. Sie sollen derzeit allerdings noch weiter ausgearbeitet werden. Die Geschäftsführerin von Pro City erzählt außerdem, welche Resonanz es seit dem Start der Aktion von den Göttinger Bürger und Bürgerinnen gibt:

 

O-Ton 5, Elisabeth von Alvensleben, 37 Sekunden

Die Rückmeldung ist erstaunlich. Die Resonanz an unserem Eröffnungstag, am großen goldenen Stern in der Weender Straße war großartig. Viele Menschen blieben stehen, freuten sich mit uns über die Aktion, haben sehr viel mehr Dankessterne dort auch tatsächlich angebracht als wir vermutet hatten. Und die Resonanz an allen anderen Stellen, an den man über die Aktion spricht, ist super. Alle finden es einfach nur gut das wir einen positiven Impuls setzen. Dass wir uns einfach mal in eine andere, als die graue Gedankenwelt versetzen, die uns natürlich im Moment alle vorrangig umgibt.“

 

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Viele Bürgerinnen und Bürger aus Göttingen-Stadt und Land wissen also schon, für was sie dankbar sind und haben ihre Botschaft bereits an den Stern geheftet. Jürgenliemk ist unter anderem dafür dankbar, dass es seiner Familie gut geht und er trotz des Lockdowns unter hygienischen Voraussetzungen weiterarbeiten kann. Und er ist auch dankbar, dass die Bundesregierung, seines Erachtens, so besonnen handelt. Auch Pro City-Geschäftsführerin Von Alvensleben ist für vieles sehr dankbar:

 

O-Ton 5, Elisabeth von Alvensleben, 33 Sekunden

Ich bin dankbar dafür, dass ich gesund bin, ich bin dankbar dafür, das ich eine großartige Familie und einen herrlichen Freundeskreis habe und ich bin auch sehr dankbar für die Aufgabe bei Pro City, dass ich mich in diesen besonderen Zeiten engagieren kann, für die Innenstadt Göttingens und für die Attraktivitätssteigerung in dunklen, tristen und sicherlich auch schwierigen Novembermonaten oder Wintermonaten. Grundsätzlich bin ich sehr dankbar, dass ich diese Aufgabe übernehmen durfte.“