Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Tina Fibiger
Datum:
Dauer: 03:43 Minuten bisher gehört: 470
Viele Kinder brauchen auch außerhalb der Familie Zuwendung und Unterstützung. Manchmal fehlt nur ein freundschaftlicher Rat. Auch dann kommt ein so genannter „Balu“ gerade recht. Balus nennen sich die Förderer von Kindern im Grundschulalter, die sich für das bundesweite Mentorenprogramm „Balu und Du“ engagieren. Nach den beliebten Tierfiguren aus dem „Dschungelbuch“ bilden sie mit ihren kleinen „Moglis“ ein freundschaftliches Gespann, um viele der alltäglichen Herausforderungen gemeinsam zu meistern. In Göttingen macht sich auch der Christliche Verein Junger Menschen (CVJM) für das Projekt stark, das vor allem an junge Balus richtet, die sich während ihres Studiums oder ihrer Ausbildung gern sozial engagieren möchten. Tina Fibiger hat das Mentorenprogramm mit dem Projektteam des CVJM erkundet.

Manuskript

Text

Ein Ausflug zum Rettungshubschrauber ist bestimmt spannend, dachte sich Felix Nieter nach den ersten Begegnungen mit seinem kleinen Mogli. Doch der 10-jährige Grundschüler war von der Idee des Medizinstudenten nicht gerade begeistert. Kochen und backen wollte er zunächst viel lieber mit seinem Mentor, wie Nieter berichtet.

 

O-Ton 1, Felix Nieter, 21 Sekunden

Dann haben wir letztlich auch ganz viel Zeit in der Küche verbracht, Burger oder Plätzchen gebacken, mal ein Lebkuchenhaus gemacht zu Weihnachten. Wir waren mal Fußball spielen. Wir haben mal ein Lagerfeuer gemacht. Dafür waren wir dann Holz sammeln nach diesem großen Sturm, der hier letztes Jahr war. Da sind wir einfach über den Stadtwall gelaufen. Also oftmals eigentlich so Aktionen, die relativ spontan auch zustande kommen. Je länger wir das gemacht haben, desto mehr Vorschläge kamen von meinem Mogli.“

 

Text

Als Nieter das Mentorenprogramm beim Göttinger CVJM kennenlernte, suchte er auch einen Ausgleich zu seinem Medizinerstudienalltag. Unterwegs mit seinem Mogli machte er bei den wöchentlichen Treffen auch für sich Entdeckungen. Dass es zunächst einfach um die Zeit geht, die zusammen verbracht wird, ohne an Hausaufgaben zu denken oder an Lernziele.

 

O-Ton 2, Felix Nieter, 14 Sekunden

Er hat einfach Lust gehabt, Sachen zu unternehmen, was außerhalb seines normalen Tätigkeitsbereich lag. Also eben zu mir nach Hause kommen, mal ganz woanders hinzugehen. Auch wenn es einfach darum geht zu sagen, was man gerne möchte und was man nicht mag. Oder wenn man über die Zukunft gesprochen hat zum Beispiel, wo geht es denn mal hin später im Leben oder so, da hat sich dann doch im Laufe der Zeit einiges getan.“

 

Text

Kindern Zeit schenken, Aufmerksamkeit und Offenheit für ihre Ideen und Anliegen entwickeln: Diesen Anspruch verbindet Annette Rehfus mit dem Projekt „Balu und Du“, das sie beim Göttinger CVJM koordiniert. Sie nimmt die Hinweise aus den Grundschulen und dem pädagogischen Umfeld an, welche Kinder besondere Unterstützung brauchen, berät sich mit den Eltern und mit den möglichen Balus, die sich neben Studium oder Ausbildung einmal wöchentlich für ein Jahr um einen kleinen Mogli kümmern möchten.

 

O-Ton 3, Annette Rehfus, 33 Sekunden.

Es wird Zeit geschenkt. In unserer Gesellschaft ist das mit das kostbarste Gut, was man verschenken kann. Und Kinder sind oft Verlierer hier, während die Eltern eben oft auch aufgerieben werden in Arbeit. Oder es gibt vielleicht auch Erkrankungen, die die Kinder haben. Dann reicht das manchmal aus, dass sie in der Schulklasse nicht integriert sind. Dazu kommen natürlich auch viele Kinder aus anderen Kulturen, die dann wieder Sprachschwierigkeiten haben. Und dann muss so ein Kind kämpfen und dann hilft so ein Balu einfach. Wir sagen: im Dschungel des Lebens sich zurechtzufinden.“

 

Text

Zurzeit betreut Rehfus elf Gespanne. Die Mentoren kommen aus allen Fachrichtungen und Disziplinen und müssen auch keinen pädagogischen Hintergrund haben. Sie bringt sie dann mit möglichen Moglis zusammen, wo auch gemeinsam entschieden wird, ob sie sich überhaupt kennenlernen und treffen möchten. Für die Balus organisiert die Koordinatorin des Projektes regelmäßige Treffen, wo Erfahrungen und Ideen ausgetauscht werden. Sie berichtet auch von einem Online-Tagebuch als Teil des Mentoringprogramms:

 

O-Ton 4, Annette Rehfus, 21 Sekunden

Das dient der eigenen Reflektion, aber auch der Dokumentation. Nicht einfach nur von einem Punkt zum nächsten gehen sondern: ‚Oh, das war ein besonderer Moment, was ich mit meinem Mogli erlebt habe. Da möchte ich gucken, was habe ich denn eigentlich alles gegeben, was hat eigentlich alles gefehlt. Was könnte man das nächste Mal vielleicht nochmal machen?‘ Das ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt von „Balu und Du“, dieses Tagebuch schreiben.“

 

Text

Aktuell hält Rehfus Ausschau nach männlichen Balus, die neben engagierten jungen Frauen besonders gefragt sind. Die wünschen sich nämlich die drei jungen Grundschüler auf ihrer Warteliste, die gern für ein Jahr den Part des Mogli übernehmen möchten und dafür einen freundschaftlichen Gefährten brauchen.