Ein Jahr Krieg in der Ukraine – Was ist bislang passiert?
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Marco Mellinger |
Datum: | |
Dauer: | 04:10 Minuten bisher gehört: 237 |
Manuskript
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Nicole Sherstyuk studiert Politikwissenschaften im Master in Berlin und engagiert sich nicht nur akademisch, sondern auch aktivistisch für die Kultur und Menschen in und aus der Ukraine. Anfang der 2000er Jahre migrierte ihre Familie nach Deutschland, selbst hat sie mehrere Jahre in der Ukraine gelebt und eigentlich schöne Erinnerungen an ihre zweite Heimat. Über die Motive des Krieges in der Ukraine, führt Sherstyuk aus:
O-Ton 1, Nicole Sherstyuk, 33 Sekunden
„Im Kontext des Ukraine-Krieges jetzt, ist es wichtig zu wissen, dass der Konflikt oder der Krieg, der gerade stattfindet, sehr tiefe Wurzeln hat, die über mehrere Jahrhunderte, Jahrtausende zurückgehen und sehr fragile Zusammenhänge von imperialen Staaten oder auch kultureller Übergrifflichkeit von einem Staat in den anderen präsent sind. Auch Gefühle von Überlegenheit, Fremdenfeindlichkeit sind Aspekte, die schon seit sehr langer Zeit im Konflikt zwischen Russland und Ukraine präsent sind.“
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Besonders wichtig ist Sherstyuk, den deutschen Diskurs über diese Themen mitzugestalten. Die Kultur spielt aus ihrer Sicht eine immense Rolle, weil es sich in diesem Krieg nicht um einen klassischen, sondern einen hybriden Krieg handelt. Russland nutzt Propaganda und kulturelle Unterdrückung als Werkzeug und versucht so, einerseits die russische Bevölkerung zu mobilisieren und gleichzeitig die ukrainische Bevölkerung anzugreifen. Erkennbar wird diese Propaganda beispielsweise durch Aussagen Putins, die Ukraine müsse „Entnazifiziert“ werden. Daher wird die ukrainische Kultur in Deutschland von Geflüchteten und auch Aktivist*innen gefördert und auch angenommen. Denn durch das praktische Ausleben der Kultur, so Sherstyuk, kann sich von den russischen und belarussischen Einflüssen distanziert werden. So finden sich aktuell in vielen deutschen Städten Veranstaltungen, Konzerte und Feste mit ukrainischer Musik und Literatur. Diese sogenannte „soft power“ hilft der Ukraine so in diesem Krieg auch weiter. Denn aus dieser lassen sich Gelder generieren und Solidarität fördern, die wiederum vor Ort an der Front das Militär stärken.
O-Ton 2, Nicole Sherstyuk, 33 Sekunden
„Die Panzer jetzt sind in meinen Augen wie ein nächster Schritt in die richtige Richtung. Anfang des Krieges hat man sehr lange darauf appelliert, den Luftraum zu schließen, um generell weitere Angriffe, vor allem Luftangriffe nicht zu ermöglichen. Das ist nicht passiert, heißt, jetzt ist jede neue Waffenlieferung und jede neue Waffe, die effektiver als die russische ist, ein Schritt in die richtige Richtung, sich verteidigen zu können“
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Und um diese Verteidigung erfolgreich zu gestalten, erfordert es die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Nun liefert unter anderem Deutschland die Leopard2-Panzer in die Ukraine. Und die Debatte wird bereits auf mögliche Kampfjets ausgeweitet. Doch für das vorherige Zögern des Bundeskanzlers hat Sherstyuk nur wenig Verständnis. Dieser habe ihrer Ansicht nach versucht, diplomatische Ziele und wirtschaftliche Interessen für mögliche Kooperationen mit einem Russland nach Putin offen zu halten. Diese Interessen bringen der Ukraine allerdings recht wenig, auch die Aufnahme von diplomatischen Gesprächen in einer Zukunft ohne Krieg und Putin stuft sie als unbedacht ein. Denn zu oft sei ihrer Ansicht nach Russland bereits als Aggressor aufgetreten. Während der Großteil der männlich gelesenen Ukrainer momentan in jeglicher Form das eigene Land verteidigen, flüchten vermehrt weiblich gelesene Menschen und Kinder aus dem Land. Besonders zu Beginn des Krieges hat sie hier viele positive Eindrücke sammeln können. In diesem Jahr hat sich aber auch einiges verändert.
O-Ton 3, Nicole Sherstyuk, 35 Sekunden
„In vielen kleinen Städten, habe ich den Eindruck, dass große Angebote, oder auch große Geldfonds, die bereitgestellt wurden, langsam aufgebraucht sind. Die Geflüchteten sich langsam integrieren, Sprachkurse annehmen, Jobs annehmen und sozusagen ihren Weg in die deutsche Gesellschaft finden. Aber immer mit dem Hintergedanken, dass in dem Moment, wo der Krieg vorbei ist, man wieder zurückkommen kann und mit den Skills und den Knowledges, die man in Deutschland gekriegt hat, was Neues aufbauen kann in der Heimat.“
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So lebt in diesem Schrecken und Leid stets die Hoffnung nach Frieden und Normalität weiter. Daher ist es aus Sicht vieler Ukrainer*innen selbstverständlich, diesen Frieden in einer internationalen Gemeinschaft zu wahren und zu verteidigen.
Zur Verfügung gestellt vom StadtRadio Göttingen
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