Demokratiegefährdung oder Gewinn? - Das neue niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz und seine Folgen
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Katharina Carle |
Datum: | |
Dauer: | 04:01 Minuten bisher gehört: 188 |
Manuskript
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Die Änderung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz ist Mitte letzten Monats im Landtag verabschiedet worden. Neben der Änderung der Freistellungsregelung, die bewirkt, dass Abgeordnete in kommunalen Parlamenten ihr Mandat und ihren Beruf besser vereinbaren können, sind auch noch die aufgrund der Corona-Pandemie etablierten Hybridsitzungen in der neuen Kommunalverfassung verankert worden. Der größte Änderungspunkt, der auch für die meiste Kritik gesorgt hat, war jedoch die Änderung des Auszählungsverfahrens zur Besetzung der jeweiligen Ausschüsse. Der Göttinger SPD-Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Göttingen/Münden, Gerd Hujan erklärt, warum diese Änderung von der Landesregierung so angestrebt worden ist:
O-Ton 1, Gerd Hujahn, 30 Sekunden:
„Das d´Hontsche Höchstzählverfahren macht eine Gremienbesetzung möglich, um diese Gremien arbeitsfähig zu halten. Die Kritik kam nicht nur von der Landesseite, sondern auch von Städte- und Landkreistag, dass die Räte auf kommunaler Ebene oder die Kreistage immer stärker zersplittern. Wir haben keine 5% Hürde irgendwo auf kommunaler Ebene und wir haben sehr viele kleinere Gruppen.“
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Bisher sind die Gremien der kommunalen Parlamente nach dem Verfahren Hare-Niemeyer besetzt worden. Nach diesem Verfahren werden kleinere Fraktionen bei der Vergabe der Sitze der Ausschüsse eher begünstigt. Bei der nun eingeführten d´Hontschen Zählweise werden eher größere Fraktionen begünstigt. Durch diese Zählweise würden viele kleinere Fraktionen keinen Sitz mit Stimmrecht in einem Ausschuss mehr erhalten. Das ist auch der Hauptkritikpunkt an der Änderung der Zählweise. So sieht Thorben Siepmann, Vorsitzender der FDP-Stadtratsfraktion Göttingen, sogar verfassungsrechtliche Bedenken bei dieser Änderung:
O-Ton 2, Thorben Siepmann, 23 Sekunden:
„Minderheitenrechte der kleinen Parteien werden verletzt, der Spiegelbildlichkeitsgrundsatz, also, dass das Parlament bzw. die kommunale Vertretung und die Ausschüsse prozentual ähnlich besetzt sein sollten. Die Chancengleichheit wird dadurch beeinträchtigt und auch der letzte Kritikpunkt, der Vertrauensvorschuss der Wählerinnen und Wähler wird verletzt.“
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Im Gegensatz zu FDPler Siepmann sieht der SPD-Abgeordnete Hujahn keine verfassungsrechtliche Bedenken, da beide Auszählverfahren grundsätzlich zugelassen sind. Neben dem Auszählverfahren wird auch noch der Zeitpunkt der Verabschiedung der Änderung der Kommunalverfassung kritisiert. So ist diese zwischen der Kommunalwahl und dem Amtsantritt der neuen Kommunalabgeordneten verabschiedet worden. In einem Gutachten, welches die FDP-Landtagsfraktion in Auftrag gegeben hat, wird sowohl der Zeitpunkt als auch die Änderung des Verfahrens als verfassungswidrig eingestuft. Auf Landesebene strebt die FDP-Fraktion daher ein sogenanntes Normenkontrollverfahren an. Hierbei soll geprüft werden, ob die Rechtsnorm mit übergeordnetem Recht vereinbar ist. Zurzeit ist allerdings unklar, ob sich eine nötige Mehrheit für ein solches Kontrollverfahren findet. Auf kommunaler Ebene gibt es jedoch noch eine andere Möglichkeit für die Befürworter des bisherigen Auszählverfahrens Hare-Niemeyer, dieses doch weiter zu verwenden. Dazu Siepmann:
O-Ton 3, Thorben Siepmann, 23 Sekunden:
„Es gibt im NKomVG in diesem Paragraph 71 Absatz 10, neu ist es glaube ich Absatz 9, können die kommunalen Vertretungen abweichende Regelungen zur Sitzverteilung treffen. Und mein Vorschlag wäre an dieser Stelle, dass wir uns hier im Rat der Stadt Göttingen einigen, einfach die Regeln, wie sie in der letzten Wahlperiode waren, weiter anwenden.“
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Um diese Regelung umzusetzen, müsste das jeweilige kommunale Gremium einstimmig für die abweichende Regelung zur Sitzverteilung stimmen. Neben dem Vorschlag der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Göttingen, gibt es auch schon zum gleichen Thema einen Antrag für die konstituierende Sitzung des Göttinger Kreistags von der FDP-Fraktion. Die Linke Kreistagsfraktion prüft derzeit ebenfalls diese Möglichkeit.
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