Interessen der Zukunft vertreten: Göttingen hat jetzt ein Jugendparlament
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Ben Mendelson |
Datum: | |
Dauer: | 05:46 Minuten bisher gehört: 294 |
Manuskript
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Nach jahrelangem Ringen um diese neue Organisation wurde es in diesem Jahr Realität: das Göttinger Jugendparlament. Endlich, mögen einige Jugendliche anmerken, die sich seit 2016 für die Schaffung einer solchen Institution eingesetzt haben. Mitte Juli fand jetzt die konstituierende Sitzung des neuen Jugendparlaments statt, mit 31 gewählten Abgeordneten. Dabei wurde die Schülerin Stella Hofmann vom Felix-Klein-Gymnasium zur Sitzungsleitung gewählt, sie leitete die vierstündige Sitzung. Auf die Frage, wie sich diese erste Sitzung des Jugendparlaments für sie angefühlt habe, sagt Stella Hofmann:
O-Ton 1, Stella Hofmann, 32 Sekunden
"Auf jeden Fall war es erstmal für mich eine große Ehre, dass so viele Jugendliche auch das Vertrauen in mich gelegt haben und mich dann auch als Plenarleitung gewählt haben. Natürlich war ich anfangs erst aufgeregt, aber zum Schluss war das dann eigentlich schon als hätte ich das schon drei Mal gemacht - oder öfter. Und ich hoffe einfach, dass ich allen Erwartungen gerecht werde und mein Amt gut meistern werde."
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Von ihrer Schule, dem Felix-Klein-Gymnasium, wurden noch vier weitere Jugendliche in das neue Parlament gewählt, auch vom Hainberg-Gymnasium und dem Theodor-Heuss-Gymnasium haben es fünf Kandidatinnen und Kandidaten ins Jugendparlament geschafft. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung aber nur bei 20 Prozent. Das sei aber gar nicht so wenig, meint Stella Hofmann: Denn man müsse bedenken, dass die Wahlen zur Zeit der Corona-Pandemie stattgefunden haben. Dass sich in so einer Situation von 3000 Schülerinnen und Schülern immerhin jede fünfte Person an der Wahl beteiligt habe, sei ein gutes Zeichen. Nun geht es für die gewählten Vertreterinnen und Vertreter darum, ihre inhaltlichen Forderungen in die Politik einzubringen. Tim Wiedenmeier vom Otto-Hahn-Gymnasium zum Beispiel ist bei Fridays for Future aktiv und will sich für eine umweltfreundlichere Stadtpolitik einsetzen. Das sei einer seiner Schwerpunkte, sagt er.
O-Ton 2, Tim Wiedenmeier, 35 Sekunden
"Andererseits hat natürlich auch die gesamte Bildungspolitik hier in Göttingen einen sehr großen Schwerpunkt bei mir, vor allem basierend auf Anti-Diskriminierungs-Projekten, die man an den Schulen durchführen könnte. Denn leider ist es Realität, dass die Schule an sich Hauptpunkt von Diskriminierung ist, ob es jetzt Rassismus ist, ob es Sexismus ist oder Homophobie. Die Schule ist Tatort Nummer Eins bei den Jugendlichen. Von daher ist es mir persönlich ganz wichtig, wir müssen da wirklich stark entgegen wirken und auch in der Schule klar machen: Hier ist kein Platz für Diskriminierung und auch für die anderen Sachen die dazu gehören."
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Außerdem solle die Stadt Göttingen jugendfreundlicher gemacht werden, zum Beispiel durch den Ausbau von Jugendzentren. Und die Preise in den Schulmensen dürften nicht zu stark steigen. Ein Punkt, den sich viele der neu gewählten jugendlichen Abgeordneten auf die Fahne geschrieben haben, ist die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs in und um Göttingen. Neben umweltpolitischen Forderungen scheint das Thema ÖPNV in der Lebensrealität der Jugendlichen eines der drängendsten Themen zu sein. Auch Stella Hofmann will sich für eine bessere Infrastruktur bei den Busverbindungen stark machen.
O-Ton 3, Stella Hofmann, 35 Sekunden
"Außerdem werde ich mich dafür einsetzen, dass auch in der Oberstufe eine kostenlose oder vergünstigte Schulbeförderung zur Verfügung gestellt wird. Und dies soll dann Chancengleichheiten für jeden Schüler oder jede Schülerin garantieren. Zudem bin ich der Meinung, dass soziale Ungleichheiten zwischen den Jugendlichen gemindert werden müssen und jeder Schüler und jede Schülerin den Zugang zu guter Bildung haben muss, egal aus welchem Haushalt er oder sie stammt."
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Zudem sollten mehr Aufenthaltsorte für Jugendliche geschaffen werden, fordert sie. Fordern und Vorschläge machen – das sind die Hauptinstrumente der jugendlichen Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Denn selber „Politik machen“ können sie nicht direkt. Trotzdem sei das Jugendparlament nicht machtlos, meinen Tim Wiedenmeier und Stella Hofmann. Sie könnten immerhin die Interessen von jungen Menschen artikulieren. Tim Wiedenmeier, der als einziger Abgeordneter des Otto-Hahn-Gymnasiums mit den meisten Stimmen ins Parlament gewählt wurde, ist sich der Situation in der Stadtpolitik bewusst. Dennoch habe das Parlament eine elementare Funktion.
O-Ton 4, Tim Wiedenmeier, 38 Sekunden
"Wir können zum Beispiel keine Position im Rat übernehmen oder wir können auch keine Sachen, wie es der Rat macht, beschließen für die Politik hier in Göttingen. Aber wir haben eine ganz wichtige Aufgabe und das ist die Aufklärung und die Beratung. Denn in der früheren Vergangenheit wurden zum Beispiel in politischen Thematiken, die vor allem auch Jugendliche betroffen haben, sehr, sehr, sehr selten Jugendliche befragt. Und unsere Aufgabe ist es jetzt vor allem, für die Jugendlichen ein Anziehungspunkt zu sein, dass die Jugendlichen zu uns gehen können und sagen „Ey, ich hab das und das Anliegen!“ Und unsere Aufgabe ist es auch, diese Anliegen, diese Meinungen weiterzutragen an die Politik.“
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Er glaube nicht, dass die Politik Argumente von Jugendlichen dann völlig ausblenden würde. Sie müsse auch auf Jugendliche hören, fordert Tim Wiedenmeier. Schließlich werden diese auch bald wahlberechtigt sein und die Zukunft mitbestimmen. Wie sich das neu geschaffene Göttinger Jugendparlament in der Stadtpolitik eingliedert und wie die Interaktion zwischen den Jugendlichen und den anderen Institutionen ablaufen wird, bleibt abzuwarten. Die Sitzung Mitte Juli war erst der Auftakt für die zweijährige Legislaturperiode. Und wer weiß: Angesichts der Eloquenz und Redegewandtheit im Jugendparlament wäre es nicht unwahrscheinlich, wenn einige der Jugendlichen in der Politik bleiben würden. Da das Durchschnittsalter zum Beispiel im Bundestag momentan bei etwa 50 Jahren liegt, wären mehr junge Stimmen in der Politik ein frischer Wind.
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