Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Nicklas Krämer
Datum:
Dauer: 04:42 Minuten bisher gehört: 586
Explodierende Kosten bei deutschen Großprojekten scheinen Tradition zu werden. Sei es der Flughafen BER, die Elbphilharmonie, die Gorch Fock oder eben unsere Göttinger Stadthalle. Dabei werden zum Verdruss vieler Steuerzahler Millionenbeträge in den Raum geworfen, als wären es Centbeträge. Manch einem stockt dabei der Atem. So hat es auch in Göttingen eine Kostenexplosion auf 30 Millionen Euro gegeben. Deshalb wurde die Sanierung der Halle Anfang dieses Jahres gestoppt. Doch für 30 Millionen Euro soll die alte Stadthalle nicht einfach nur neu herausgeputzt werden. Die zuständigen Architekten der SSP AG haben das Sanierungsvorhaben nun öffentlich vorgestellt. Nicklas Krämer berichtet.
Dieser Beitrag wird Ihnen präsentiert von: Lünemann

Vorstandsvorsitzender der SSP AG Matthias Kraemer im Ratssaal der Stadt Göttingen (Bild: Nicklas Krämer)

Die Konzeption der neuen Stadthalle in der Außenansicht (Bild: soll sasse architekten)

Projektleiter Matthias Kraemer und Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler während der Fragerunde zum Sanierungsvorhaben (Bild: Nicklas Krämer)

So oder so ähnlich könnte der zukünftige Konzertsaal der Stadthalle Göttingen aussehen (Bild: SSP AG)

Manuskript

Text

Kaum ein Thema beherrscht die Göttinger Lokalpolitik dermaßen wie unsere Stadthalle. Seit Monaten dominiert die Diskussion um Sanierung oder Neubau des Veranstaltungsortes. Nach einer unerwarteten Kostenexplosion um 10 Millionen Euro auf knapp 30 Millionen Euro wurden die Sanierungsarbeiten vorübergehend gestoppt. Während CDU und FDP einen kompletten Neubau fordern, vermutet die SPD mit Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler bei ungefähr 50 Millionen Euro fast die doppelten Kosten bei einem kompletten Neubau. Um Einblicke zu den entsprechenden Optionen zu schaffen, hat das zuständige Architekturbüro der SSP AG die aktuellen Sanierungspläne präsentiert. Vorstandsvorsitzender und Projektleiter Matthias Kraemer ist dabei auf ein Mehrwertkonzept für eine grundlegende Verbesserung der bestehenden Halle eingegangen. Unter dem Projektnamen „Stadthalle Göttingen: Mehrwertkonzept Saalnutzung, Raumakustik, Bühnentechnik, Behaglichkeit, Aufenthaltsqualität“ will Kraemer viele verschiedene Probleme der Stadthalle auf einmal in Angriff nehmen. Für eine dauerhafte Lösung müssen alle Aspekte einer Veranstaltungshalle an die Anforderungen von heute und morgen angepasst werden. Das soll, so Kraemer, durch eine sogenannte Kernsanierung erreicht werden.

 

O-Ton 1, Matthias Kraemer, 29 Sekunden

Eine Kernsanierung ist eine Sanierungsart, die viel umfangreicher an das bestehende Gebäude herangeht. Es werden praktisch alle Bekleidungen, Fassaden, haustechnische Innereien abgebaut und wieder neu eingebaut. Das hat den Riesenvorteil, dass man nach einer Kernsanierung quasi wieder einen Neubau hat. Das heißt, der Rohbau bleibt stehen und viele andere Dinge werden neu gebaut und haben dann praktisch einen Neuigkeitswert.“

 

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Im August 2018 hat das Architekturbüro einen Nutzerworkshop mit der Stadt Göttingen und verschiedenen Partnern veranstaltet. Dabei haben sich besonders die Anforderungen an Akustik, eine Multifunktionalität der Halle und eine Optimierung von Foyer und Nebenräumen herauskristallisiert. Welche Verbesserungen die geplante Kernsanierung dazu bringen soll, beschreibt Kraemer.

 

O-Ton 2, Matthias Kraemer, 30 Sekunden

Ganz besonders wird die Verbesserung im Saal wirksam werden. Wir haben dort akustische Verbesserungen, Verbesserungen der Behaglichkeit, frische Luft, Verbesserung des Sehens, Verbesserung auch der Atmosphäre im Saal durch verschiedene Lichtatmosphären im Saal, die wir planen, mit großen Deckensegeln, die multifunktional einstellbar sind in der Höhe, in der Neigung, sodass man pro Veranstaltung eine optimale Form der Halle erzeugen kann.

 

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Der Saal soll mit Bestuhlung fast 1.200 Menschen fassen können, ohne Bestuhlung 1.700. Das wird durch einen Ausbau der Fluchtwege im Brandfall möglich. Außerdem soll das Foyer durch eine Neugestaltung weitere Toiletten, einen zweiten Aufzug und ein zeitgemäßes Design erhalten. Zurzeit befindet sich vor der Göttinger Stadthalle eine überdachte Passage. Diese soll einem Windfang unmittelbar über dem Eingang weichen. Die Südterrasse neben der Stadthalle soll verbreitert werden und eine Treppe als weiteren Fluchtweg erhalten. Unter der Südterrasse ist die Küche des Caterings vorgesehen, was im aktuellen Raum der Küche einen weiteren Seminarraum schafft. Die Optimierung der vorhandenen Stadthalle kann aber immer nur im Rahmen des vorhandenen Rohbaus stattfinden. Die Architekten haben also deutlich weniger Freiheiten, als sie bei einem Neubau hätten. Die Vorteile einer Sanierung beschreibt Kraemer wie folgt.

 

O-Ton 3, Matthias Kraemer, 26 Sekunden

Bei der Kernsanierung ist es so: Man hat ja meistens schon einen Standort, der funktioniert hat. Mit Erschließung, das heißt Elektro, Abwasser, das ganze Gebäude ist angeschlossen. Und man hat natürlich auch den Wert des Rohbaus, den kann man erhalten. Ökologisch gesehen würde man sagen, man hat sehr viel CO2 gespart, weil man den Rohbau nicht nochmal neu aufbaut. Praktisch gesehen kann man sich ein bisschen Zeit einsparen, weil man einfach den Rohbau nicht mehr machen muss.“

 

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Die Architekten sparen nicht nur Zeit, sondern auch Geld für die Materialien des Rohbaus. Außerdem ist für die Sanierung der Stadthalle ein Zeitraum von ungefähr drei Jahren angesetzt. Ein Neubau läge bei sechs bis sieben Jahren Bauzeit. In dem veranschlagten Budget von 29 Millionen Euro sind auch sogenannte Risikopositionen enthalten. Die 2,9 Millionen Euro, also zehn Prozent des Budgets, sollen als Puffer für nicht vorhersehbare Kosten dienen. Darunter fällt zum Beispiel die Lage am Arbeitsmarkt. Dort gibt es viele Aufträge für wenige Handwerker. Ein weiterer Punkt sind steigende Kosten für die Entsorgung von Schadstoffen, wie beispielsweise Asbest. Die Bauunterbrechung durch den Sanierungsstopp verursache aber kaum zusätzliche Kosten, da bereits gemachte Pläne wieder aufgegriffen werden könnten, so Krämer. Er sieht lediglich zusätzliche Zeitkosten von drei bis sechs Monaten, sollte der Stadtrat sich für die Kernsanierung der Halle entscheiden.