Europaquartier soll am Holtenser Berg gebaut werden
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Silke Frischmuth |
Datum: | |
Dauer: | 04:42 Minuten bisher gehört: 659 |
Manuskript
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Die Wohnraumsituation in Göttingen ist angespannt. Vor allem für Menschen mit geringem Einkommen ist es schwierig, eine bezahlbare Bleibe zu finden. Die Stadtverwaltung plant deshalb den Bau von bis zu 600 Wohnungen am Holtenser Berg. Das Neubaugebiet soll „Europaquartier“ heißen. Elf Hektar, das ist eine Fläche so groß wie 15 Fußballfelder, sind dafür vorgesehen. 30 Prozent der Wohneinheiten entstehen als sozialer Wohnraum. Die Bauarbeiten sollen bereits im nächsten Jahr beginnen. Michael Lindemann, der Leiter des Fachbereichs Planung, Bauordnung und Vermessung der Stadt Göttingen, erläutert dazu:
O-Ton 1, Michael Lindemann, 28 Sekunden
„Der Holtenser Berg ist eins der Baugebiete, die wir neu aufgenommen haben in den Flächennutzungsplan. Wir haben damals stadtweit Flächen gesucht, wo eine bauliche Entwicklung möglich wäre, und da ist diese Fläche auch mit reingekommen. Und interessant ist diese Fläche auch, davon setzt sie sich ein bisschen ab von den anderen Flächen, weil sie auch für den Geschosswohnungsbau geeignet ist. Wir suchen dringend Flächen für den Geschosswohnungsbau und da haben wir in Göttingen leider nicht wirklich viele Flächen.“
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Die Bewohner des Holtenser Bergs sehen den Bau neuer Wohnungen positiv. Sie sind jedoch auch besorgt. Die schwache Infrastruktur am Holtenser Berg wird keine weiteren 2.000 Bewohner verkraften, meinen Kritiker. Es fehlten bereits jetzt Kindergartenplätze, Seniorenbetreuungseinrichtungen und Sporthallen. Außerdem richte Regenwasser immer wieder Schäden insbesondere bei Häusern des benachbarten Ortsteils Holtensen an. Die Anwohner befürchten, dass die zunehmende Versiegelung des Bodens durch neue Straßen und Gebäude dieses Problem verschärfen könnte. Barbara Frebel vom Nachbarschaftsverein Holtenser Berg meint:
O-Ton 2, Barbara Frebel, 25 Sekunden
„Ja, einige Vorteile hätte es schon. Der Holtenser Berg, dessen Bewohnerzahl ja innerhalb von 20 bis 30 Jahren von 6.000 auf 4.000 geschrumpft ist, könnte durchaus noch ein paar Menschen gebrauchen. Die Geschäftsleute würden sich freuen. Wir würden es auch befürworten, dass es sozialen Wohnungsbau gibt. Wenn die entsprechende Infrastruktur für diese Menschen dann auch geschaffen wird, weil ja bei uns auch Engpässe in den Kindergärten und so weiter da sind.“
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Das größte Problem ist jedoch die Verkehrsanbindung für die neuen Bewohner. Bis jetzt ist das Wohngebiet Holtenser Berg ausschließlich über die Europaallee erreichbar. Das Wohngebiet ist verkehrsberuhigt. Mehrere Straßen, auch die Europaallee, sind stellenweise verengt worden. Mit den neuen Wohnungen wird die Einwohnerzahl um 50 Prozent, nämlich auf ungefähr 6.000 Menschen steigen. Die Göttinger Linke Ratsfraktion bezweifelt, dass die Europaallee den zusätzlichen Verkehr aufnehmen kann. Edgar Schu von der Linken Ratsfraktion hat einen Vorschlag dazu:
O-Ton 3, Edgar Schu, 32 Sekunden
„Es gibt ja ziemlich viele Varianten, die angeboten worden sind, und ich habe mir das selbst auch angeguckt und ich denke, diese Variante Nummer fünf, am Stadtweg entlang, das ist nur ein Rand von Holtensen, ein Neubaugebiet, wo die Straße für die Anwohner dort, wenige Wohneinheiten sind das nur, große Grundstücke, und die Straße ist sehr gut ausgebaut, und so müsste die Straße nur zum Holtenser Berg hin auch ausgebaut werden. Dann wäre, glaube ich, das Problem sehr weit entspannt.“
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Das Planungsbüro „PGT Umwelt und Verkehr“ aus Hannover hat sieben Varianten für die Verkehrsführung geprüft. Die Experten meinen, dass Wege durch Holtensen nur mit einer geringen Nutzung rechnen könnten. Außerdem hat sich der Ortsrat von Holtensen bereits dagegen ausgesprochen, den zusätzlichen Verkehr durch diesen Ortsteil zu leiten. Die Stadt Göttingen schlägt deshalb vor, die Europaallee weiterhin als einzigen Zufahrtsweg zum Holtenser Berg beizubehalten. Einige Anwohner sehen das kritisch. Frebel sagt dazu:
O-Ton 4, Barbara Frebel, 35 Sekunden
„Das führt inzwischen zu Wartezeiten und Staus morgens, die immer schlimmer werden. Denn im Gegensatz zu den Bewohnern haben die Zahlen der Autos unheimlich zugenommen. Das merken wir alle, wir finden alle keinen Parkplatz mehr. In den letzten zehn Jahren hat sich das unglaublich stark zugespitzt. Dann haben wir gehört, dass jetzt die einzige Zufahrtsstraße für dieses Neubaugebiet die Europaallee bleiben soll. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass wir das für sehr problematisch halten und dass es eine zweite Zufahrt braucht, um diesen Verkehr zu bewältigen.“
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Zu der öffentlichen Informationsveranstaltung zum künftigen Europaquartier kamen etwa 100 Leute. Die meisten waren über 50 Jahre alt. Hauptthema war die zukünftige Verkehrsanbindung des Wohngebiets. Die Bürger stellten Fragen und übten Kritik an den Vorschlägen der Stadtverwaltung. So läuft zum Beispiel der mögliche Ausbau der Europaallee, um überall zweispurig fahren zu können, der bisherigen Politik der Verkehrsberuhigung entgegen. Die Stadtverwaltung will den Prozess der Bürgerbeteiligung weiterführen und weitere Informationsveranstaltungen organisieren. Es gibt noch einige größere Probleme zu lösen, bevor der erste Spatenstich getan werden kann.
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