Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Morten Reimers
Datum:
Dauer: 03:34 Minuten bisher gehört: 118
Nach dem durchschlagenden Erfolg von HBOs „Vikings“ war es nur eine Frage der Zeit, bis einer der neuen Streamingdienste versuchen würde, von der Aufmerksamkeit zu profitieren, die „Vikings“ generiert hat. Mit „The Last Kingdom“ hat der Streamingdienst mit dem roten N genau das versucht, indem er die Buchreihe „The Saxon Stories“ von Bernard Cornwell als Serie verfilmte. Morten Reimers hat sich die Verfilmung für Sie angesehen.

Manuskript

Text

„The Last Kingdom“ setzt zum Beginn der Wikingerinvasion in Britannien Mitte des 9. Jahrhunderts an. Die Geschichte folgt dem Protagonisten Uhtred, der zweitgeborener Sohn eines angelsächsischen Adligen ist. Zu Beginn der Invasion wird der Großteil von Uhtreds Familie in Kämpfen getötet, er von dem Dänen Ragnar gefangen genommen und die ihm zustehenden Ländereien von seinem Onkel gestohlen. Er lebt seine gesamte Kindheit mit seiner Kindheitsfreundin, Jugendliebe und späteren Rivalin Brida unter den Dänen, zunächst als Sklave, später als Adoptivsohn von Ragnar. In dieser Zeit übernimmt er die Religion und Bräuche der Dänen. Nachdem Ragnar und seine Familie, von rivalisierenden Wikingern, ebenfalls ermordet werden und Uhtred nur mit Glück überlebt, setzt er sich ein Ziel im Leben: Sein Erbrecht durchzusetzen und seine Ländereien von seinem Onkel zurückzuerobern. Uhtred flieht in die angelsächsisch kontrollierten Gebiete Britanniens und versucht, Verbündete im Kampf gegen seinen Onkel um sich zu scharen. Das Land befindet sich jedoch im Krieg und Uhtred wird immer wieder in die Kämpfe zwischen Dänen und Angelsachsen hineingezogen.

 

Anders als die Bücher von Bernard Cornwell auf denen „The Last Kingdom“ basiert, geht die Serie eher den Weg einer Action-Serie als den eines Epos, obwohl die Reihe von Cornwell 13 Bücher umfasst. So wird der Inhalt aus zwei bis drei Büchern pro Staffel verwendet, dazu werden Charaktere zusammengelegt, andere gestrichen und in den letzten Staffeln gesamte Story-Stränge umgeschrieben. Die so grob vereinfachten oder zum Teil auch widersprüchlichen Charaktere und Story-Elemente sind kaum noch mit den Originalen in den Büchern zu vergleichen. So wirken fast alle Charaktere, besonders Uhtred, sehr viel freundlicher in der Serie und scheinen so wesentlicher glatter als die egoistischen, brutalen, hinterlistigen und zum Teil größenwahnsinnigen Charaktere, auf denen sie basieren. Hier wurden wahrscheinlich einige der Tiefen der Originalcharaktere im Buch geopfert, um die Charaktere dem Publikum zugänglicher erscheinen zu lassen. Das ist auch der Grund dafür, dass gewisse Charakterentwicklungen nicht gut nachvollziehbar sind und widersprüchlich wirken.

 

Zwar weicht die Serie oft von den Büchern ab und verbessert damit nicht unbedingt die Qualität ihrer Geschichte, jedoch lassen sich viele der Szenen nicht anders als „bildgewaltig“ beschreiben, da Hintergrund, die Optik der Charaktere und die allgemeine Atmosphäre sehr gut dargestellt werden. Ob Schlachtfeld, Stadtmarkt oder Palastanlage, die in der Serie gezeigten Szenerien wirken detailreich und wohl überlegt. Die Sets sind oft düster, beklemmend und dreckig, wie es von einem Kriegsschauplatz um das Jahr 900 zu erwarten wäre. Auch die Actionszenen wirken sehr lebhaft, dadurch das Choreographie, Kameraführung und Schnitt sehr harmonisch miteinander zusammen arbeiten, um glaubhafte und unterhaltsame Kampfszenen zu liefern.

 

Wer eine Erfahrung vom Kaliber von „Vikings“ erwartet, wird von „The Last Kingdom“ aber enttäuscht sein. Weder Charaktere noch Handlungsverlauf erreichen bei „The Last Kingdom“ die Tiefe von „Vikings“. Auch bei der Inszenierung von Actionszenen schafft es „The Last Kingdom“, trotz etwas späterem Produktionszeitpunkt und damit leicht verbesserter Technik , nicht den Rivalen zu überflügeln. Dass „The Last Kingdom“ sein Potential nicht komplett ausschöpft, könnte am Ende daran liegen, dass die Basiswerke von Cornwell eben keine Actionromane sind, sondern historisch inspirierte Epen und somit durch den geänderten Fokus in der Verfilmung einiges an Substanz einbüßen müssen.