Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Jeanine Rudat
Datum:
Dauer: 04:15 Minuten bisher gehört: 68
Ihn kennen viele als Gerichtsmediziner Dr. Joseph Roth aus dem Kölner Tatort: Joe Bausch. Der 71-Jährige hat jetzt eine Biografie über seine Kindheit im Nachkriegsdeutschland veröffentlicht. Sein Buch „Verrücktes Blut“ stellt der Schauspieler und Arzt heute um 19:30 Uhr in der Northeimer Stadthalle vor. Der TV-Star wird nach der Lesung auf der Bühne mit True-Crime-Moderator Dr. Tino Grosche ins Gespräch kommen. Einen Einblick in seine Biografie bekommen Sie schon jetzt von Jeanine Rudat.
Dieser Beitrag wird Ihnen präsentiert von: Das Backhaus

Manuskript

Text

Er ist Deutschlands bekanntester Knastarzt: Joe Bausch. Im größten Hochsicherheitsgefängnis in Deutschland, in Werl, war er über 30 Jahre lang Anstaltsarzt. Und seit über 30 Jahren ist er auch Schauspieler. Er verkörpert im Kölner Tatort den Rechtsmediziner Dr. Joseph Roth. Sein markantes Aussehen und selbstbewusstes Auftreten lassen auf einen knallharten Typen schließen. Doch in seiner Autobiografie, die vor allem seine Kindheit im Nachkriegsdeutschland auf einem Bauernhof im Westerwald in den Mittelpunkt stellt, zeigt er auch seine weiche Seite. In seinem sehr persönlichen Buch spricht er erstmals über eine Zeit, in der er tiefste Demütigung, Gewalt und Übergriffe erleben musste. Geboren wurde Joe am 19. April 1953 unter dem Namen Hermann Josef in einer Zeit, in der das vielgepriesene Wirtschaftswunder auf dem Land noch nicht angekommen war und die Folgen des Krieges noch spürbar waren. So ruhten alle Erwartungen auf dem kleinen Jungen, den sein Vater bereits mit der Geburt zum Hofnachfolger auserkoren hatte. Das Leben in den Dörfern war hart und ihre Bewohner:innen ebenso. Tote Hühner, die nicht mal mehr für eine Suppe taugten wurden einfach in den Bach geworfen, indem die Kinder schwimmen lernten. Joe wurde von seinem Vater gezwungen in den Keller zu gehen, um Lebensmittel zu holen, obwohl er sich vor den Ratten dort ängstigte. Bekam er vom Fegen mit einem zu großen Besen Blasen an den kleinen Händen, gehörte das zur Abhärtung dazu. Sein Vater war jähzornig, nannte ihn nicht beim Namen, sondern rief ihn lediglich mit „der Große“ oder „der da“ und oft beschimpfte er ihn als Missgeburt oder als Freckerling, Tiere, die schwächer waren als andere und deshalb nicht überlebten oder von Menschenhand getötet wurden. Seine Mutter schaute stumm zu. Zärtliche Aufmerksamkeit gab es weder für ihn, noch für seinen jüngeren Bruder. Komfort suchte man auf dem Hof vergebens. Ein Plumpsklo und eine Zinkwanne zum Baden der gesamten Familie gehörten zum Alltag dazu. Sein Vater zeigte seine Liebe anders, z.B. indem er seinem Sohn beim Frühstück den geliebten, aber doch etwas harten Knust einkerbte, damit er ihn leichter essen konnte oder er ihm selbstverständlich sein Auto gab, mit dem er bereits mit 16 Jahren ohne Führerschein durch das Dorf fuhr. Als Joe erwischt wurde, setzte es keine Strafe für ihn, sondern nur freche Worte an den Richter von seinem Vater. Auch den Schulbesuch bis zum Abitur und das anschließende Studium erlaubte er ihm und finanzierte es in Teilen. Geboren 1913 war Joes Vater selbst mit aller Härte aufgewachsen und gab diese an seine Söhne, zwei leibliche und einen zwischenzeitlichen Pflegesohn, weiter. Die Mutter schaute weg, wenn Joe körperlich gezüchtigt wurde von seinem Vater. Schließlich war dies damals normal. Doch als der Vater mitbekam, dass sein Sohn vom Pfarrer geschlagen wurde, drohte er dem Geistlichen damit, dass nur er seinen Sohn schlage, niemand sonst, und falls dies noch einmal vorkomme, dann würde er dies bereuen. So konsequent war er auch bei seinem Pflegesohn, der zehn Jahre älter als Joe war. Ihn warf er vom Hof, als er im erwachsenen Alter seine Pflegeeltern bestahl und immer öfter betrunken nach Hause kam. Was niemand ahnte, der Pflegesohn missbrauchte Joe als Kind über mehrere Jahre sexuell. Als Joe dies nach dem Tod seines Vaters seiner Mutter erzählen wollte, wollte sie davon nichts hören. Es war also eine schwierige Beziehung zu seinen Eltern und doch widmet Joe Bausch ihnen sein Buch. Das Buch, indem er sehr lebendig und ehrlich über seine Kindheit, die zwischen Entbehrungen und Freude, Sehnsucht und Liebe changierte, erzählt. Liebe, die er von seiner Tante Res bekommt oder von den zehn Jahre älteren Schwestern Christa und Rita, die sich als Nachbarinnen um ihn kümmerten und zeitlebens mit ihm befreundet bleiben werden. Er berichtet auch schonungslos und bewegend von seiner Jugend, in der er sich selbst finden musste, von seinem Studium der Theaterwissenschaften in Köln, seiner rebellischen Art, wie er Drogen genommen und verkauft hat und von seiner traumatischen Zeit bei der Bundeswehr. Seine autobiografischen Betrachtungen sind mehr als persönliche Zeugnisse – sie sind ein Stück Zeitgeschichte. Und genauso spannend sind sie auch zu lesen. Ein interessantes Buch nicht nur für Tatort-Fans.