Rezension: Der Junge im gestreiften Pyjama
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Anneke Borcherding |
Datum: | |
Dauer: | 03:12 Minuten bisher gehört: 150 |
Manuskript
Text
Berlin 1942: Bruno ist neun Jahre alt und lebt mit seiner Schwester und seinen Eltern in einem großen Haus, in dem es immer wieder etwas zu entdecken gibt. Als er von der Schule kommt, ist das Zimmermädchen aber gerade dabei, seine Sachen zu packen. Seinem Vater, der stets eine Uniform trägt, wurde eine wichtige Aufgabe an einem anderen Ort übertragen. Die Familie muss deswegen umziehen, und zwar nach „Aus-Wisch“, wie Bruno es versteht. Nach der Ankunft in seinem neuen Zuhause schwinden die Hoffnungen auf eine schnelle Rückkehr nach Berlin schnell. Bruno langweilt sich, weil offenbar keine anderen Kinder in der Nähe wohnen und er niemanden zum Spielen hat. Als er aus dem Fenster seines Zimmers blickt, ist er aber überrascht. In der Ferne erkennt er einen hohen Zaun hinter dem sich so etwas wie ein Dorf oder Bauernhöfe befinden. Alle Menschen, die er entdeckt, tragen einen gestreiften Pyjama. Fieberhaft überlegt er, was es mit seiner Beobachtung auf sich haben könnte. So richtig erklären kann er sich das Ganze aber nicht. In der nächsten Zeit beschließt Bruno deshalb, auf Erkundungstour zu gehen. Unbemerkt schleicht er sich aus dem Gebäude und wandert den Zaun entlang. Hierdurch lernt er den gleichaltrigen Jungen Schmuel kennen. Er befindet sich allerdings auf der anderen Seite des Zaunes und trägt auch einen der seltsamen Schlafanzüge. Bruno ist begeistert, dass er einem anderen Kind begegnet ist. Es folgen regelmäßige Treffen, aus denen sich eine Freundschaft zwischen den beiden Jungen entwickelt. Bald schon macht es Bruno aber zu schaffen, dass der Zaun, der sie trennt, alles so kompliziert macht.
John Boyne erzählt die Geschichte eines Jungen, der den typischen Interessen eines Neunjährigen nachgeht, aber eben auch Sohn eines SS-Offiziers ist. Welche Aufgaben sein Vater in Auschwitz genau übernimmt, das versteht Bruno nicht. Im Verlauf des Romans scheinen immer wieder leise Zweifel in ihm aufzukommen. Durch die unfreundlichen Soldaten, Begriffe, die er nie zuvor gehört hat und auch die Erzählungen von Schmuel. Aber Bruno kann einfach nicht durchdringen, was um ihn herum geschieht. Die erwachsene Leserschaft aber schon. Eine Identifizierung mit der Perspektive der Hauptfigur ist praktisch nicht möglich. So manch eine Zeile kann da auch frustrieren, wenn scheinbar die greifbarsten Umstände von Bruno verkannt werden. All seine Eindrücke werden in kindliche Erklärungsansätze umgewandelt, die keine Grausamkeit und kein Leid kennen. Am Ende der Geschichte zeigt sich schließlich, welche schreckliche Folge seine Fehleinschätzung hat. Aber nicht nur Bruno kann nicht begreifen. Der Roman konfrontiert durch die kindliche Sicht mit der allgemeinen Unfassbarkeit der Ereignisse während der NS-Zeit.
Das Buch „Der Junge im gestreiften Pyjama“ ist tieftraurig und bewegend. Es nähert sich den schwerwiegenden Themen aber etwas behutsamer, weswegen das Buch Leserinnen und Lesern ab ungefähr zwölf Jahren empfohlen wird. Geeignet ist es vermutlich aber eher für alle die, die bereits Kenntnisse über den geschichtlichen Hintergrund des Romans haben. So können Brunos Erlebnisse eingeordnet werden.
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