Uraufführung des boat people projekt „Gold – Die Künstlerin ist abwesend“
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Tina Fibiger |
Datum: | |
Dauer: | 05:18 Minuten bisher gehört: 214 |
Manuskript
Text
Irina möchte gern über ihre Arbeiten sprechen und was sie mit den Frauenfiguren verbindet, in die sie hineingehört hat. Dafür wurde die Bühne des „ boat people projekt“ in einen Ausstellungsraum verwandelt, in dem die Künstlerin sich nicht nur den Fragen des Publikums stellt sondern auch ihren eigenen Ansprüchen: Wie offen ist mein Blick auf die indische Göttin Kali oder der auf ihre dunkle Schwester, der schwarzen Madonna Sara la Kali? Was sagt mir die Stimme der Roma-Dichterin Bronislawa Papusza Wajs mit diesem Gedicht, in dem sie ihre Flucht aus Auschwitz beschreibt?
O-Ton 1, Einspieler „Gold – Die Künstlerin ist abwesend“, 26 Sekunden
„Sie brachte sich selbst das Lesen und Schreiben bei und schrieb ihre Gedichte auf. Ein polnischer Intellektueller brachte sie dazu, ihre Gedichte und Lieder zu veröffentlichen. Durch die Veröffentlichung wurde ein Teil der Kultur der polnischen Roma zugänglich für die Gadjé, so heißen die ‚Nicht-Roma‘. Für die Roma war es nicht zu ertragen, dass ein Teil aus ihrer Kultur zu den Gadjé gekommen war.“
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Autorin Luise Rist lässt ihr Stück „Gold – Die Künstlerin ist abwesend“ mit einem vieldeutigen Vorspiel beginnen. Die Verse aus dem Gedicht „Tränen aus Blut“ fluten den Raum auf Romanès, während Javeh Asefdjah ihre Installationen erneut erkundet und dabei auch das Konzept für das fiktive Publikumsgespräch beschreibt. Die Fragen, die später gestellt werden, sind alle vorbereitet und werden abgelesen. Dabei erkundet die Kamera den leeren Zuschauerraum, weil die Stimmen, die sich bald mit ihren Zweifeln, Vorbehalten und Vorurteilen so interessiert und engagiert zu Wort melden werden, als Personen unsichtbar bleiben. Sie habe ihnen die Worte in den Mund gelegt, erklärt die Schauspielerin, auch wenn sie die darin geäußerte Meinung nicht teilen. Sandrinne Ugitoh Essem in der Rolle der Dichterin Papusza hört ihr bereits aufmerksam zu und greift nach dem blumenbestickten Gestell, das ihre Figur symbolisiert.
O-Ton 2, Einspieler „Gold – Die Künstlerin ist abwesend“, 23 Sekunden
„Es ist wirklich schön zu sehen, wie die zweite und die dritte Generation der Einwanderer in Deutschland ankommt, nicht nur in der Arbeitswelt sondern auch in der Kunstwelt. Ich finde es nicht richtig, was uns alles in die Schuhe geschoben wird. Sicherlich ist nicht alles richtig gelaufen in der Vergangenheit aber man kann jetzt auch keine Hexenjagd auf weiße Männer in leitenden Positionen veranstalten.“
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Es sind zunächst ganz typische Fragen, denen sich Irina stellt und die sie schon so oft beantwortet hat, sei es über ihre Herkunft und ihren künstlerischen Werdegang. Sie möchte weder mit der kosmopolitischen Bildungsgeschichte ihrer Familie argumentieren oder mit ihrem deutschen Pass. Doch ihr Publikum hakt immer wieder nach und ist schon bald bei der Frage angelangt, warum man eine andere Meinung nicht einfach stehen lassen kann, dass die Debatte um diese Z-Sauce nun wirklich zu weit gehe und dass auch Deutsche Vorurteile aushalten müssten.
O-Ton 3, Einspieler „Gold – Die Künstlerin ist abwesend“, 16 Sekunden
„Come on, Schwester! Wir sind Ausländer. Ich bin Deutsche. Bist du auch eine von denen, die alles super richtig machen, nur um nicht als dumme Ausländer da zu stehen, die sich nicht an Regeln halten können?“
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Mehrfach durchkreuzen Rückblenden das Szenario, zunächst mit einer Szene über die Fahrt zur Vernissage, wo Mark Kutah in der Rolle des Taxifahrers ihre und seine Anpassungs- und Integrationsrituale ironisiert. Auch er wird sich das Blumengestell der Roma-Dichterin überstreifen, während Javeh Asefdjah von weiteren alltagstypischen Episoden berichtet, die sie unterwegs mit ihm erlebte, wie die Kaufhausdetektive Alarm schlugen und die Polizeikontrolle mit einem verdächtigen Hintergrund begründet wurde. Eine weitere Rückblende widmet sich der Roma Dichterin, wie sie die Odyssee ihres Volkes beschreibt und die Sehnsucht nach ihrem Rock aus allen Blumen der Welt als Symbol für einen verbindenden gemeinsamen Dialog.
O-Ton 4, Einspieler „Gold – Die Künstlerin ist abwesend“, 28 Sekunden
„Sie haben mir viel erzählet und haben viel geklagt. Doch das, was meine Seele gequälet, das haben sie nicht gesagt. Sie machten ein großes Gewese und schüttelten kläglich das Haupt. Sie nannten mich „Die Böse und du hast alles geglaubt.“
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Die Schauspielerin kriecht unter die Installation aus Bambusstäben wie an einen Ort, an dem sie sich mit der Göttin Kali verstanden fühlt. Auch die schwarze Madonna ist eine vertraute Gefährtin, der sie sich mit der Stimme Papuszas anvertrauen kann, während sie nun das Publikumsgespräch reflektiert, in dem es keinen Dialog gegeben habe sondern nur vorgefertigte Meinungen. Für die macht „Gold – Die Künstlerin ist abwesend“ in dieser faszinierenden Bühnenfantasie besonders hellhörig.
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