Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Winona Hennrich
Datum:
Dauer: 04:24 Minuten bisher gehört: 143
Das festsitzende Frauenbild und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, eine Rebellion gegen die steifen Moralvorstellungen der 50er Jahre und der Kampf um eine eigene Identität: Das ist das Setting, in dem die Serie „Ku‘damm 56“ spielt. Die Zuschauer*innen erleben mit, wie die konservativen Richtlinien einer Mutter ihre Töchter in standesgemäße Eheleben drängen sollen, sich eine Tochter jedoch dagegen widersetzt und ihren eigenen Weg finden will. Mehr über die Serie „Ku‘damm 56“ erfahren Sie jetzt von Winona Hennrich:

Manuskript

Eine Frau hat schön auszusehen und das selbstverständlich für den Mann. Ihre ganze Ausstrahlung muss elegant und leicht sein. Beim Tanzen gilt es, den richtigen Abstand zu wahren. Wenn der Ehemann von einem langen Arbeitstag nach Hause kommt, hat die Wohnung picobello zu sein und das Abendessen steht dampfend auf dem Tisch. Wer aus diesem prüden Muster fällt und nicht sittsam ist, hat es schwer, einen geeigneten Ehemann zu finden und das ist in dieser Zeit natürlich das Wichtigste „auf dem Weg nach Oben“. Die deutsche Serie „Ku‘damm 56“ aus dem Jahr 2018, geschrieben von Drehbuchautorin Annette Hess, handelt vom Bild der jungen Frau in den 50er Jahren in Berlin. Gehorsam, Moral und feste Rollenverhältnisse prägen diese Zeit stark. Genau deshalb kommt der Aufschrei der Rebellion in Form des Rock‘n‘Rolls zum Vorschein. Mit diesem Themenschwerpunkt zieht die Serie auch aktuelle Bezüge zur Gleichberechtigung der Frau. Es zeigt sich, wie viel noch zu tun ist, damit Männer und Frauen gleichberechtigt sind, aber auch wie stark sich das Bild der Frau im Vergleich zu den 50er Jahren zum Positiven gewandelt hat. Im Zentrum der Serie „Ku‘damm 56“ stehen die konservative Tanzschulbesitzerin Caterina Schöllack und ihre drei Töchter. Zwei von ihnen gehen den Weg, den sich Caterina sehnlichst für all ihre Kinder wünscht: Sie sollen gut heiraten und somit in der Gesellschaft aufsteigen. Helga ist mit dem Juristen Wolfgang von Boost verlobt und hat mit ihm eine gute Partie gemacht. Auch Eva weiß genau, was sie will. Sie arbeitet als Krankenschwester und setzt alles daran, von ihrem Chef, Professor Fassbender, geheiratet zu werden. Nur Monika ist in den Augen ihrer Mutter eine echte Enttäuschung. Von der Haushaltsschule wegen unzüchtigem Verhalten und miserabler Noten verwiesen, glaubt sie nicht daran, jemals einen Ehemann für Monika finden zu können. Der Rauswurf ist für Caterina außerdem eine weitere Bestätigung für das Versagen ihrer Tochter. Gleichzeitig ringt Monika aber um die Akzeptanz ihrer Mutter und versucht alles, um von ihr nicht als größte Enttäuschung angesehen zu werden, verliert sich aber zum Unbehagen der Mutter in der Leidenschaft zum Rock‘n‘Roll. Der Ruf ihrer Familie und vor allem ihr eigener Ruf stehen bei Caterina Schöllack aber an oberster Stelle. Das spiegelt sich auch in dem sehr konservativen Programm ihrer Tanzschule „Galant“ wider, welche sie allein leitet. Ihr Ehemann und Vater ihrer Kinder, Gerd, wird seit 1944 vermisst. Lediglich Fritz Assmann, ein guter Freund der Familie, unterstützt sie in der Tanzschule und steht ihr auch sonst zur Seite. Die Serie „Ku‘damm 56“ erzählt insbesondere Monikas Geschichte. Sie dient der Erzählung zwischen strengem Familienleben, den prüden Moralvorstellungen und dem Aufbegehren nach einer selbstbestimmten Zukunft. Im Verlauf der ersten Staffel „Ku‘damm 56“ wird den Zuschauer*innen eine spannende Geschichte geboten, die zum Nachdenken anregen soll. Ein Gefühl von Nostalgie wird durch das Ansehen der einzelnen Folgen vermittelt, da die Serie in den 50er Jahren spielt; auch wie schwer es für die Frauen in dieser Zeit gewesen sein muss, unabhängig von ihrem Ehemann oder sogar ledig ein selbstbestimmtes Leben zu bestreiten. Die Erzählung lebt von ihren vielschichtigen Charakteren, welche alle auf unterschiedlichste Art mit schweren Erlebnissen zu kämpfen haben. Wie schwere Schicksalsschläge oder das Ausleben der wahren Sexualität in den 50er Jahren verdrängt oder als pervers angesehen wurden, lässt sich durch die großartige Leistung der Schauspieler*innen sehr gut nachempfinden: Wie die unterschiedlichen Charaktere im Laufe der Geschichte handeln, welche Beweggründe sie dazu gebracht haben oder welche anderen Personen auf ihre Entscheidungen Einfluss genommen haben. Einen Hauch von Kitsch bringt die Serie ebenfalls mit sich, da viele klischeehafte Objekte und Charaktereigenschaften der 50er Jahre teils überspitzt in der Serie untergebracht wurden. Durch die Fülle an Charakteren werden jedoch einige Handlungsstränge leicht in den Hintergrund gerückt und nicht weitergeführt, was schade um die Geschichte dahinter ist, aber der Gesamtstory keinen Abbruch tut. „Ku‘damm 56“ schafft es, dass sich die Zuschauer*innen mit den Schwierigkeiten der 50er Jahre auseinandersetzen und regt dazu an, sich Gedanken zu ähnlichen Problematiken unserer Zeit zu machen. Alles gut verpackt in einer durchweg mitreißenden und ebenso unterhaltsamen Serie.