„I‘m every woman“ - Ein Buch für alle Frauen?
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Onyekachi Oshionwu |
Datum: | |
Dauer: | 03:54 Minuten bisher gehört: 304 |
Manuskript
Text
Strömquists erster Band „Der Ursprung der Welt“ liest sich wie eine Offenbarung. Ein literarisches Muss, für alle menstruierenden Menschen. Strömquists Zeichen- und Schreibstil haben auf jeden Fall Suchtpotential. Klar also, dass sich die meisten Leser:innen dieses Bandes sofort auch den zweiten Band „Ursprung der Liebe“ lesen wollten. Ein nicht ganz so gewaltiger Comic wie der erste, der aber trotzdem auf unterhaltsame und humorvolle Weise die Frage aller Fragen neu aufrollt: „Was ist Liebe?“. Strömquists vierter Band „Ich fühl‘s nicht“ liest sich wie ein befreiendes Plädoyer für konsumbefreite Liebe. Und ihr dritter Roman? Der ist vor allem im Vergleich zu den anderen eher eine Enttäuschung. Klar, auch in „I‘m every woman“ hier gibt es viele witzige und scharfsinnige Zeichnungen, doch bleibt das Buch deutlich hinter den Erwartungen zurück. Der Band wirkt ein wenig so, als ob Strömquist nach den Erfolgen der ersten beiden Bände, schnell nachliefern wollte oder vielleicht auch musste und somit die Tiefe etwas auf der Strecke blieb. Das Thema des dritten Buches: Frauen von berühmten und allseits bewunderten Männern wie Albert Einstein und Elvis Presley. Deren Frauen sind nämlich kaum bekannt. Zu Unrecht wie Strömquist meint; gemäß dem Spruch „Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau“. Doch bei vielen Geschichten bleibt das Gefühl, hier wurden Beziehungen aus komplett anderen Epochen durch die Brille einer Feministin des 21. Jahrhunderts bewertet. Die Beziehung zwischen Percy und Mary Shelly beispielsweise, interpretieren nicht wenige als für ihre Zeit skandalös modern. Bei anderen Geschichten schweift Strömquist so sehr vom Thema ab, dass sie eher wirkt wie ein nicht zu Ende gedachter Lückenfüller. Man könnte es tragisch nennen, denn die meisten dieser Ideen hätten durchaus großes Potential. Eigentlich ist Strömquist dafür bekannt stets mit Quellenangaben zu arbeiten, aber gerade beim Einstein-Comic ist sie hier etwas ungenau. Es geht um die Frage, ob Mileva Maric, Einsteins erste Frau, maßgeblich an der Relativitätstheorie mitgewirkt hat oder nicht. Strömquist stellt es als unumstößliche Tatsache dar, dabei ist es unter Geschichtswissenschaftler:innen noch immer umstritten und gilt trotz vieler Indizien weder als beleg- noch als falsifizierbar. Diese Ungenauigkeit führt dazu, dass ein kleiner Beigeschmack bleibt. Schade eigentlich, denn Mileva Maric war definitiv eine talentierte Mathematikerin, die gerade in ihren Anfangsjahren wahrscheinlich viel zu Einsteins Durchbruch beitrug. Zumindest ist der Autorin anzurechnen, dass sie in jedem Fall dazu beigetragen hat, den Namen Mileva Maric überhaupt bekannt zu machen. Das Buch liest sich sehr schnell und ist insgesamt unterhaltsam. Einige Stellen erscheinen aber ein wenig gezwungen und auch oberflächlich, beispielsweise als sie in einer Pyramide die Gleichstellung kritisiert. Auch der Aufbau ist nicht immer ganz klar und wirkt teilweise willkürlich. Der Fokus auf die „unsäglichsten Lover der Weltgeschichte“ hat deutlich weniger Biss als die anderen Themen in Strömquists Grafischen Romanen. Stilistisch ist der Comic teilweise extrem salopp, fast vulgär verfasst. Die Übersetzerin Katharina Erben trifft mit den englisch-denglischen Formulierungen wohl vor allem den Geschmack von Millenials und der Generation Z. Wer also überlegt, ob wirklich alle vier Bände der Autorin im eigenen Regal stehen sollten, der kann am ehesten auf den dritten Band verzichten.
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