Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Onyeka Oshionwu
Datum:
Dauer: 04:59 Minuten bisher gehört: 229
Knarzende Äste, Eulenrufe, Zaubersprüche; Gruselstimmung. Heute, liebe Zuhörer:innen, ist Walpurgisnacht. Schon seit über 1.000 Jahren feiern die Menschen in der Harz-Region die Nacht auf den 1. Mai. Vor der Christianisierung war das Fest vor allem bekannt als Beltane. Die Kelten, sozusagen die Ureinwohner des Harzes, haben in der Nacht auf den 1. Mai mit Freudenfeuern den Frühling und die Fruchtbarkeit begrüßt. Der Namenswechsel von Beltane zur Walpurgisnacht ging dann von der Kirche aus und mit einer Bedeutungsverschiebung einher: In der Walpurgisnacht wurde fortan der Äbtissin Walburga gedacht, die auch als die Schutzpatronin der Seefahrt galt. Ihr wurde zugeschrieben enorm wirkungsvoll gegen Hexerei und Zauberei zu sein. Der Sage nach kamen deswegen am Vorabend des Walburgis-Tags Hexen zusammen, um ihr Unwesen zu treiben und unsägliche Dinge zu tun. Die Angst vor Hexen artete vor allem in der Frühen Neuzeit in die Hexenverfolgung aus, die abertausenden Menschen das Leben kostete. Doch schon Anfang des 19. Jahrhunderts erlebte die Idee von Hexensabatten in der Walpurgisnacht eine neue Blütezeit. Bis heute feiern Menschen in der Harz-Region die Walpurgisnacht. Wie? - Das hat unsere Reporterin Onyeka Oshionwu für Sie herausgefunden.

Manuskript

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Wie heißt es schon in Goethes Faust? „Die Hexen zu dem Brocken ziehn, die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün. Dort sammelt sich der große Hauf, Herr Urian sitzt oben auf.“ Auch heute noch, über 200 Jahre nach der Veröffentlichung von „Faust“, ist der Harz für seine ausgedehnten Walpurgisfeste bekannt. Was in normalen, Corona-freien Zeiten dort so los ist, erzählt Christine Wohlgemuth vom Harzer Tourismusverband:

 

O-Ton 1, Christin Wohlgemuth, 21 Sekunden

Zu Nicht-Corona Zeiten ist es so, dass wir in über 20 Orten Walpurgisfeierlichkeiten haben. Also das reicht vom Open Air-Theater, bis hin zur traditionellen Feierlichkeit mit Mittelaltermarkt und Gauklern und Hexentänzen, bis hin zu eher moderneren Varianten mit Lichtshows und Live-Acts. Und da werden natürlich tausende Besucher immer von angezogen. Jeder findet was für seinen Geschmack.“

 

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Angesichts dieses sonst so vielfältigen und abwechslungsreichen Angebotes schmerzt es Wohlgemuth umso mehr, dass aufgrund der Corona-Pandemie dieses Jahr alle Präsenzveranstaltungen ausfallen müssen. Trotzdem gibt es etwas, auf das sich alle Hexenfans freuen können:

 

O-Ton 2, Christin Wohlgemuth, 28 Sekunden

Am 30.4. selbst, wird auf unserer Webseite noch mal richtiges Hexentreiben aufkommen. Da können alle Möchtegern-Hexen und -Teufel gerne teilnehmen. Da gibt es dann verschiedene Überraschungen aus den Orten, die sich die Nutzer anschauen können. Weil wir haben doch recht viele Walpurgis-Fans, nicht nur im Harz. Also viele kommen uns auch von weiter her besuchen zu den Feierlichkeiten. Und ich hoffe, dass wir so den Abend zum 1. Mai dem einen oder anderen versüßen können. Ich denke, das wird rundum eine schöne Angelegenheit.

 

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Die Walpurgisnacht ist übrigens nicht nur für alle Freizeit-Hexen ein großes Spektakel. Auch für echte Hexen hat dieser Tag eine wichtige Bedeutung. Echte Hexen? Ja, denn vor allem in Berlin gibt es die sogenannte neu-heidnische Hexenreligion. Während ihres Postdoktorats hat Victoria Hegner zu „echten“ urbanen ‚Hexen‘ geforscht. Sie erklärt, was es mit den Berliner ‚Hexen‘ auf sich hat:

 

O-Ton 3, Victoria Hegner, 52 Sekunden

Die ‚Hexen‘ in Berlin im urbanen Raum und überhaupt im globalen Norden folgen einer Form der neu-heidnischen Religion. Und im Neuheidentum geht es vor allem um die Verehrung der Natur, als etwas immanent Heiliges. Und bei den Hexen, die ich untersucht habe, kommt dann noch im Sspeziellen hinzu, dass man das Schöpfungsprinzip als ein weibliches betrachtet und damit eigentlich so die große Göttin in den Mittelpunkt der Verehrung stellt. Und damit wiederum auch so einen großen Bogen zum Feminismus schlägt. Wobei man sagen muss, dass diese Göttin jetzt nicht per se weiblich ist. Das ist nicht ein Geschlecht, sondern das sind irgendwie auch alle Geschlechter.“

 

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Hegner hat die Berliner ‚Hexen‘ über zwei Jahre begleitet. Sie hat dabei unter anderem auch an über 50 Ritualen sowie an Kursen zur Krafttiermagie teilgenommen. Gleichzeitig macht die Autorin deutlich, dass es bei den neu-heidnischen Hexen nicht nur um spirituelle und esoterische Aspekte, sondern auch um feministische um emanzipatorische geht. Was die „echten Hexen“ heute während der Walpurgisnacht so treiben, berichtet Hegner selbst:

 

O-Ton 4, Victoria Hegner, 1:08 Minuten

Die Walpurgisnacht, das ist in vielen Städten so, ist ja eigentlich auch so eine Nacht, wo so Gegenentwürfen Platz eingeräumt wird. Es gibt Demonstrationen, es gibt Feiern und auch die neu-heidnischen Hexen nutzen diese urbane Nacht, in der es um Gegenentwürfe geht, um zu feiern. In Berlin beispielsweise machen die das auf dem zweithöchsten Berg von Berlin. Die treffen sich da auf dem Teufelsberg, so heißt der, und die nutzen das, und feiern aber in den 1. Mai hinein und das wiederum ist nach dem neu-heidnischen hexischem Kalender, Beltane. Und Beltane ist ein wichtiges Jahreskreisfest, in dem man das Aufblühen und die Hoffnung auf eine reiche Ernte feiert. Und dabei geht es auch viel um die Kraft der Liebe, um Fruchtbarkeit und das wird auch gefeiert. Man springt übers Feuer und wenn man über das Feuer springt, dann wünscht man was. Das mag dann auch in Erfüllung gehen. Das hat auch viel mit Glaube auch an Magie zu tun.“

 

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Ob traditionell im Harz, oder neu in Berlin: Die Walpurgisnacht bleibt eine ganz besondere Nacht, in der Menschen gemeinsam feiern. Es stehen vor allem Frauen im Mittelpunkt, egal ob Äbtissin oder Hexe, und gleichzeitig wird der Frühling begrüßt.