Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Tina Fibiger
Datum:
Dauer: 04:46 Minuten bisher gehört: 164
Zehn Fahrzeuge parken im Halbkreis vor der KAZ-Niederlassung in der ehemaligen Voigtschule in Göttingen. Für ihr Debüt als freie Theatergruppe „NichtnurTheater“ haben Laura Apel und Fabio Rocchio auch eine ideale Bühnenkulisse unter Corona-Bedingungen gefunden. Auf dem Schulhof vor dem Eingang zu einem kleinen Fachwerk-Lagerhaus erkunden sie mit der Szenenfolge „Love Movie Theater“ das dramatische Duell eines beziehungsmüden Paares für ihre Zuschauer aus den PKW. „Autotheater“ nennen sie ihr erstes gemeinsames Bühnenabenteuer, das am Wochenende Premiere gefeiert hat. Tina Fibiger berichtet.
Dieser Beitrag wird Ihnen präsentiert von: Thomas Hoffmann Immobilien Göttingen

Manuskript

O-Ton 1, Einspieler, “Love Movie Theater“, 19 Sekunden

Es ist ein Wunder, wie gut wir zusammenpassen. Nichts brauchen wir voreinander zu verstecken. Alle Stimmungen und Launen können wir ungefiltert ausleben und jeder versteht den anderen. Das ist wahres Leben.“ - „Nein, das ist viel mehr. Das ist ganz großes Kino“.

 

Text

Die Voraussetzungen sind fast perfekt: Für einen One-Night-Stand und vielleicht sogar für mehr. Das Paar kann seine Beziehung scheinbar unbefangen angehen und vertraut dabei auf die Kinobilder, die ein nicht enden wollendes Happy End versprechen. Mit einer sehnsüchtig liebevollen Umarmung beginnt dann auch das Schauspiel „Love Movie Theater“. Doch schon nach wenigen Augenblicken liegt eine leblose Gestalt am Boden und eine andere dreht sich genüsslich eine Zigarette. Dieses Drehbuchfinale gefällt ihr offenbar.

 

O-Ton 2, Einspieler „Love Movie Theater, 25 Sekunden

Warum soll ich immer fragen? Warum? Die Gespräche drehen sich im Kreis. Hinterher bin ich nicht klüger als vorher: Was sollen diese Gespräche bringen?“ - „Es ist wie mit allen Dingen. Je länger man sich damit beschäftigt, umso komplizierter werden sie. Scheinbar einfache Dinge werden zum Problem. Scheinbare Selbstverständlichkeiten heben sich auf. Alles steht unter anderen Vorzeichen.“

 

Text

Irgendwas ist schief gelaufen in diesem Beziehungsfilm, den Laura Apel und Fabio Rocchio an ihren Figuren enttarnen. Natürlich nervt auf Dauer der Alltag mit all den Gewohnheiten, die scheinbar kaum mehr Raum für spontane Verrücktheiten und gemeinsame Abenteuer lassen. Über die gestörte Verständigung, was Wünsche, Fantasien und auch Illusionen angeht, herrscht im Grunde Einverständnis. Nur bleibt damit jeder für sich, wie in einem Selbstgespräch mit einem abwesenden Gegenüber. Mit ihrem Paar begeben sich die beiden Schauspieler in eine fast schon absurde Situation. Die Frau und der Mann, wie Autor Lukas Seidel sie bezeichnet, haben zwar eine gemeinsame Bühne. Aber auf der finden im Grunde zwei Stücke statt, in denen abwechselnd gestritten, gehadert und gehofft wird. Die innere Abrechnung findet auf einer Holzbank statt oder auf der Eingangsgalerie des Werkstattgebäudes, aber niemals gemeinsam, auch wenn es die Stimmen aus den Lautsprechern vermuten lassen.

 

O-Ton 3, Einspieler, „Love Movie Theater“, 21 Sekunden

Verzweifelt versuchte ich, mich an Situationen zu erinnern, die er vielleicht meinen konnte, aber mir fiel nichts ein. Mein Kopf war vollkommen leer. Irgendwo im Hintergrund hörte ich leise, dramatische Geigen.“ - „Sie sah mich so durchdringend an, als wolle sie mir etwas Wichtiges antworten. Aber ich wollte nichts hören. Auch wollte ich nichts fühlen.“

 

Text

Jeder Blick zurück und auch jeder weitere, was in diesem Beziehungsplot noch alles an Enttäuschungen und Leerlauf lauert, verlangt nach einem neuen Outfit. Für das, was unter Hemden, T-Shirts und Lederjacken trotzdem alles unter die Haut geht, haben Fabio Rocchio und Laura Apel ein berührendes Bild gefunden. Spuren von roter Farbe haften nicht nur an den Körpern, sondern auch an dem, was die Worte an Schmerz und Traurigkeit nicht verhüllen können. Der Mann blickt in Gedanken sehnsuchtsvoll aus einem Fenster auf eine wild wuchernde Landschaft, auf der das Leben ständig neu und anders austreibt, während die Frau sich ein weiteres Menü aus Bildschirmepisoden und Tabletten anrichtet. Beide hängen an ihrem imaginären Drehbuch, in dem es immer wieder zu unerwartet spannenden und aufregenden Episoden kommt.

 

O-Ton 4, „Einspieler, „Love Movie Theater“, 35 Sekunden

Schön, dass Du wieder da bist.“ - „Ich muss Dich was Wichtiges fragen.“ - „Ja.“ – „ Ich wollte Dich das schon lange fragen.“ - „Ja, was denn?“ - „Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.“ - „Sag es einfach.“ - „So einfach ist das nicht.“ - „Sag es einfach.“ - „Ich weiß nicht wie.“ - „Ich weiß was Du sagen willst.“ - „Nein, ich glaube nicht, dass Du das weißt.“ - „Doch bestimmt, nun sag schon.“ - „Ich wollte Dich schon lange fragen, ob...“ – „Ich wollte ihm über den Kopf streicheln obwohl ich wusste, dass er es hasst. Ich wollte seine Worte begreifen, aber ich verstand sie nicht.“

 

Text

Für das Paar ist es an der Zeit für ein neues Drehbuch, dass kein Happy End verspricht, sondern vielleicht sogar echte Dramatik, Suspense und neue Lebenslust. Die Zuschauer dürfen sich überraschen lassen, was eine enthusiastische Umarmung noch alles bedeuten kann. Dann feiern sie das dramatische Debüt des „Nichtnurtheater“ mit Hupkonzert und Scheinwerfer-Lightshow.