Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Tina Fibiger
Datum:
Dauer: 05:53 Minuten bisher gehört: 95
Mit der Premiere von „Gewalt und Leidenschaft“ ist das Deutsche Theater am Wochenende in die Spielzeit gestartet. Das Schauspiel nach Motiven des Films von Luchino Visconti gehört zu den Produktionen, die wegen der Pandemie in die neue Spielzeit verschoben werden mussten. Unter Corona-Bedingungen haben Intendant Erich Sidler und sein Team ihre ursprünglichen Pläne für die aktuelle Saison nochmal neu abgestimmt und auch thematisch erweitert. Unter dem Motto „Das Denken ist analog“ möchten sie mit ihrem Publikum über aktuelle Krisen und gesellschaftliche Fragestellungen ins Gespräch kommen. Tina Fibiger hat Stücke, Themen und Motive erkundet, die auf der Bühne zur Diskussion gestellt werden.
Dieser Beitrag wird Ihnen präsentiert von: Thomas Hoffmann Immobilien Göttingen

Manuskript

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Nach „Gewalt und Leidenschaft“ hat in zwei Wochen mit dem Schauspiel „Der Riss durch die Welt“ ein weiteres Stück Premiere, in dem die gestörte Verständigung zwischen den Figuren ein zentrales Motiv ist. Im Hintergrund lauern natürlich weitere Fragen, was politische und soziale Gegensätze oder auch Machtstrukturen betrifft. Für Intendant Erich Sidler ist dabei entscheidend, dass das Theater dafür einen analogen Begegnungsraum schafft, wie er im Spielplanmotto „Das Denken ist analog“ zum Ausdruck kommt.

 

O-Ton 1, Erich Sidler, 52 Sekunden

Dass wir etwas genauer in den Themen versuchen, Impulse zu geben, die sehr stark mit der Lebenssituation der Menschen zu tun hat, die im Moment vorherrscht: Corona fordert uns ja physisch, aber eben auch sehr stark psychisch, diese Frage auch der Auswüchse, die Corona hat, die Aspekte, die unser tägliches Leben im Grunde genommen stark beeinflussen. Und hier waren wir der Meinung, müssen wir kräftigere Signale senden. Es ist letztlich immer eine reale, analoge Begegnung, in der auch analoge Empathie stattfindet. Im Theater werden auch Inhalte ausgetauscht und es findet eine Auseinandersetzung statt mit den Themen, die da im Raum sind: Auch als ein ganz klares Signal, darüber nachzudenken, was wir eigentlich in der direkten Begegnung aneinander haben.“

 

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Der DT-Spielplan widmet sich vielen akute Themen und Krisenszenarien, die von der öffentlichen Diskussion um Corona-Regelungen und demokratische Entscheidungsprozesse immer wieder verdrängt werden. Mit „Alles Lüge“ sondieren die Theatermacher in einem Liederabend die Erwartungen, die an die Wiedervereinigung geknüpft wurden. Ein mörderisches Kapitel Zeitgeschichte reflektiert der Monolog „Der tätowierte Mann“ mit den Stimmen von KZ-Überlebenden. Die aktuellen rechtsradikalen Programme und Parteilichkeiten sondiert wiederum das Bühnenprojekt „Yesterday Reloaded“. Erneut zu denken gibt auch John Steinbecks Roman „Früchte des Zorns“ in der dramatisierten Fassung. „Reich an Leben“ beschreibt Sidler das Szenario und dass es unwahrscheinlich viel mit unserem Heute zu tun habe.

 

O-Ton 2, Erich Sidler, 38 Sekunden

Das fängt damit an, dass eigentlich die Menschen auf der Flucht sind beziehungsweise auf der Reise in eine bessere Existenz. Das thematisiert natürlich auch die Wirtschaftsflüchtlinge, die uns in den nächsten Jahren beschäftigen werden: Also wie gehen wir damit um, dass es einfach Regionen gibt in der Welt, in denen keine Perspektiven mehr vorhanden sind, weil natürlich auch die Veränderung des Klimas und die Art und Weise der Bedingungen, die Menschen erleben, sich ändern und sie dazu zwingt, sich dazu zu verhalten. Auch das ist etwas, was wir nicht aus den Augen verlieren dürfen.“

 

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Mit Schillers Tragödie „Die Räuber“ widmet sich das Deutschen Theater einem mörderischen Bruderzwist in seinen politischen und emotionalen Dimensionen. Fortgesetzt wird auch die thematische Spurensuche im Werk von Theodor Fontane mit einer dramatischen Fassung seiner Novelle „Der Schimmelreiter“. Ebenfalls erneut zu Wort kommen die Figuren von Wilhelm Busch, die sich in dem Stück von Rebekka Kricheldorf und Hannah Zufall ihren subversiven Reim auf den Autor machen und dafür auch das passende Motto bekommen haben. „Pardauz! Schnupdiwup“ Klirrbatsch! Rabum!“ Auch für die Komödie „ Alles muss glänzen“, in der sich eine Hausfrau an eine vermeintlich heile Welt klammert, steht bereits ein Premierentermin im großen Haus fest, ebenso wie für das Schauspiel „Die Dummheit“ über Tricks und Tücken auf dem Kapitalmarkt. Für den DT-Intendanten und sein Team heißt es zunächst abwarten, ob bereits geplante Inszenierungen aus der vergangenen Spielzeit wie auch Wiederaufnahmen in der aktuellen Saison unter Corona-Bedingungen überhaupt realisierbar sind.

 

O-Ton 3, Erich Sidler, 35 Sekunden

Was wir hoffen ist, dass wir bald die Abstände im Haus verkleinern können. Die Salzburger Festspiele haben ja mit einem freien Platz gearbeitet und das würde ich natürlich sehr, sehr begrüßen, wenn wir bald zu dieser Ordnung übergehen könnten. Wir werden jetzt aufgrund Doppelvorstellungen machen an zwei Tagen, also das gleiche Stück in zwei Tagen spielen, damit wir nicht umbauen müssen. Früher oder später haben wir uns schon auch die Frage gestellt, ob es möglich wäre, um Sechs und dann wieder um 20.30 Uhr die zweite Vorstellung zu machen, damit wir auch die doppelte Anzahl an Menschen ins Haus holen können.“

 

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Für Dezember kündigt der DT-Intendant die Wiedereröffnung der DT-2 Studiobühne an. Für die Premiere Premiere des Monologs „Der tätowierte Mann“ wird die Bühnenfläche verkleinert und der Zuschauerraum erweitert, damit 35 bis 40 Zuschauer die Vorstellungen sehen können. Auch was die Planung weiterer Premieren und Wiederaufnahmen betrifft, setzt Sidler auf ein flexibles Konzept bei der Wahl der Bühnenräume. Das „Stück „Bombe“, das unmittelbar vor dem Lockdown am DT-2 Premiere hatte, wird für die große Bühne uminszeniert. Dort gibt es vorerst auch Vorstellungen mit dem Monolog “Der Vortrag“, an die sich weitere Wiederaufnahmen aus dem großen Haus anschließen sollen. Zur Diskussion steht neben dem Stück „Praca Roosevelt“ von Dea Loher, der diesjährigen Samuel-Bogumil-Linde-Preisträgerin auch eine Neufassung von Erich Sidlers Inszenierung „Warten auf Godot“.