Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Tina Fibiger
Datum:
Dauer: 05:01 Minuten bisher gehört: 229
Die Erinnerungskultur ist ein prägendes Element in den Lesungen und Vorträgen der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Daran an schließt sich auch die biografische Spurensuche, die in der aktuellen Veranstaltungsreihe eine besondere Rolle spielt. Gleich mehrere literarische Porträts und Dokumentationen über Zeitzeugen des NS-Terrors kündigt das Bündnis für die kommenden Monate an. Sie stehen auch in diesem Jahr wieder im Kontext der traditionellen Gedenkreihe vom 9. November bis zum 30. Januar, die sich den Opfern des Nationalsozialismus widmet. Tina Fibiger hat das Programm der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit erkundet.

Manuskript

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Bereits im September nahm die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit den 100. Geburtstag von Paul Celan zum Anlass für eine biografische Zeitreise. Vertiefen möchte Esther Heling-Hitzemann, die Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, das Porträt des Dichters der berühmten „Todesfuge“ mit einem Abend im Alten Rathaus, der sich auch als musikalische und poetische Spurensuche versteht:

 

O-Ton1, Esther Heling-Hitzemann, 28 Sekunden

Ich fand einfach diese Kombination sehr reizvoll. Einerseits werden Gedichte von Paul Celan zur Sprache kommen, sicherlich auch solche, die man vielleicht schon kennt. Also gerade zur „Todesfuge“ hat ein anderer Lyriker sozusagen eine Antwort von heute aus geschrieben: „Ein Dialog durch die Zeit“. Da gibt es sozusagen eine kreative Auseinandersetzung damit und dann natürlich aus dem Briefwechsel Paul Celan – Ingeborg Bachmann. Das finde ich dann biografisch wieder sehr spannend.“

 

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Zur traditionellen Gedenkstunde am 9. November vor dem Mahnmal der früheren Synagoge plädiert die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in diesem Jahr für eine Dokumentation über das Leben der Familie Nussbaum, die nach der Pogromnacht aus Göttingen vertrieben wurde. Sie wird von Schülerinnen und Schülern des Max-Planck-Gymnasiums recherchiert. Für das kommende Frühjahr kündigt Heling-Hitzemann auch die Verlegung weiterer Stolpersteine an, die an das Leben der Familie Nussbaum erinnern.

 

O-Ton 2, Esther Heling-Hitzemann, 17 Sekunden

Das Anliegen der Schüler ist, sozusagen diese Familie auch zurück zu holen nach Göttingen in das Bewusstsein hier: Das ist eine alteingesessene Göttinger Familie und diese Schülergruppe wird auch bei der Stolpersteinverlegung diese Familie vorstellen und wir haben gedacht, es bietet sich an, dass das jetzt schon in den Mittelpunkt kommt.“

 

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Vernetzt ist das Bündnis für den christlich-jüdische Dialog auch mit dem ökumenischen Arbeitskreis Frieden, der im Rahmen der Veranstaltungsreihe am 12. November das Projekt „School for Peace“ im Gemeindesaal von St. Michael vorstellen wird. Im Zentrum des Vortrags steht ein Friedensdorf, in dem israelische und palästinensische Kinder in einer bilingualen Grundschule gemeinsam unterrichtet und Jugendliche in Bildungsprojekten und in der Friedensarbeit betreut werden. Ein weiteres biografisches Porträt widmet sich dann am 24. November im Gemeindesaal der evangelisch-reformierten Gemeinde dem arabischen Arzt Mod Helmy, der in Berlin Juden vor der Gestapo rettete. An die literarische Spurensuche möchte die Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit dann mit einem musikalisch poetischen Abend über Mascha Kaléko anknüpfen: „Sie sprechen von mir nur leise“.

 

O-Ton 3, Esther Heling-Hitzemann, 24 Sekunden

Das ist eine Veranstaltung, die wir eigentlich schon Ende Juni anbieten wollten, die dann natürlich ausfallen musste, und jetzt haben wir einen neuen Versuch mit dem 30.11. Es passt in diese biografische Reihe. Aber ich denke Mascha Kaléko ist von ihrem Leben und von ihrer Lyrik her so ein bisschen positiver. Also das ist nicht so dieses Bedrückende, sondern sie hat ja sehr viel Humor und Witz und das fand ich sehr reizvoll.“

 

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Im Kontext der Veranstaltungsreihe „Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus“ steht traditionell der 27. Januar und die Erinnerung an den Tag, als die letzten Überlebenden des KZ Auschwitz befreit wurden. Für die Abschlussveranstaltung im Alten Rathaus engagiert sich die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit gemeinsam mit den Bündnispartnern, wie Heling-Hitzemann betont. Geplant ist ein Gespräch mit der Sintezza Rita Prigmore über Auschwitz und „Menschenversuche im Nationalsozialismus“

 

O-Ton 4, Esther Heling-Hitzemann, 32 Sekunden

Also sie selbst nennt sich Zigeunerin, Rita Prigmore, obwohl man sonst auch sagt, das ist doch so ein abwertender Begriff. Aber sie selbst benutzt den für sich. Das ist eine Zeitzeugin, die als Baby – sie war Zwilling – in die Hände von Mengele gekommen ist. Und ihre Schwester hat es nicht überlebt. Aber sie ist von ihrer Mutter auch sozusagen wieder heraus entführt worden, also ist eine spannende Lebensgeschichte. Diese alte Dame wird uns ihre Lebensgeschichte erzählen und wir werden auch noch Schüler mit einbeziehen, dass die sich mit ihr unterhalten können.“

 

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Musikalische Akzente setzt an diesem Abend ein jüdisches Musiker-Duo mit dem Gitarristen Daniel Kempin und Dimitry Reznik an der Violine. Musikalisch gestaltet sich dann der Abschluss der Veranstaltungsreihe der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit am 6. Februar in der evangelisch-reformierten Kirche mit jiddischen Liedern und Kleszmer unter dem aufmunternden Motto „Wir gejen zusamen.“