Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Roman Kupisch
Datum:
Dauer: 05:45 Minuten bisher gehört: 224
Wer kein Moslem ist, wird es wahrscheinlich schon wieder nicht mitbekommen haben: es ist Ramadan. Nur so viel weiß wohl jeder: Ramadan ist der Monat, in dem gläubige Muslime tagsüber auf Essen und Trinken verzichten. Unter diesen Entbehrungen leiden besonders junge Menschen. Nicht nur, weil sie noch wachsen, oder weil gerade sie es nicht gewöhnt sind ihre Bedürfnisse zu zügeln. Schwer haben es die Jugendlichen manchmal auch aus falsch verstandenem Ehrgeiz. Für einige sind die Fastenanstrengungen ein Wettbewerb, den derjenige gewinnt, der am härtesten verzichtet. Die Beratungsstelle zur Prävention religiös begründeter Radikalisierung möchte hier möglichen Konflikten entgegenwirken. In Hann.Münden lud sie darum zu einer Diskussionsrunde ein. Roman Kupisch war für das Stadtradio vor Ort.
Dieser Beitrag wird Ihnen präsentiert von: Lünemann

Manuskript

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Das Interesse an dem Informationsabend war gemessen an der Größe des Veranstaltungsortes hoch. 16 meist weibliche Gäste sind gekommen. Mehr und es wäre zu eng für den Stuhlkreis in den Räumen des Hann.Mündener Bürgertreffs. Die meisten Gekommenen arbeiten in pädagogischen Berufen, doch auch ein Polizist ist anwesend. Moderiert wird die Veranstaltung von Susanne Pauli und Hacer Toprakotlu. Sie sind Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle zur Prävention religiös begründeter Radikalisierung (RadiPräv). Beim Thema Schule und Ramadan gilt es zwei verschiedene Konflikte auseinander zu halten. Da gibt es zunächst einmal die ganz alltäglichen:

 

O-Ton 1, Susanne Pauli, 28 Sekunden

Genau, wir hatten Schulen, die dann tatsächlich den Sporttag in den Ramadan legen und das ist halt sehr schwierig, oder Fototermine, die am Zuckerfest stattfinden und die Hälfte der Klasse ist nicht auf dem Foto. Und da kann man auch strukturell mit Schulen arbeiten – zu gucken: habt das einfach auf dem Schirm und sendet damit Signale. Es geht nicht darum, dass man alle Eingeständnisse macht, sondern einfach, dass man im Kontakt bleibt und im Austausch ist und kleine Signale sendet mit dem, was eben möglich ist.“

 

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Daneben gibt es aber noch die tiefer liegenden Konflikte. Denn natürlich ist der Ramadan nicht bloß ein Organisationsproblem. In der Öffentlichkeit wird meist ein anderer Aspekt verhandelt: Fastende Schüler, die gelegentlich zu weltanschaulichen Grundsätzlichkeiten neigen. Wer ist am frömmsten und wer kann am längsten sind da die Fragen. Für Pauli jedoch ist das Problem eher altersspezifisch: Jugendliche verglichen sich nun einmal gerne und suchten im Glauben nach einer stabilen Identität. Doch Schulen sollten in einer solchen Situation klug agieren. Eine Grundannahme von Radipräv lautet: den meisten Radikalisierungen geht eine Diskriminierungserfahrung voraus. Das ist keine Warnung oder die Forderung nach falscher Rücksichtnahme. Pauli und Toprakotlu wollen vor allem darüber aufklären, worum es beim Ramadan geht. Nämlich um Frömmigkeit und Familie. So sieht es auch Hannah Cakmak. Eigentlich war sie als Gast bei der Infoveranstaltung. Als Muslimin kann sie aber davon berichten, was der Ramadan für ihre Familie bedeutet.

 

O-Ton 2, Hannah Cakmak, 28 Sekunden

Wir freuen uns natürlich alle immer auf Ramadan, wir kommen alle viel zusammen, die ganze Familie lädt sich gegenseitig viel ein, auch Freunde werden eingeladen, es wird viel Essen gemacht, man kommt halt schön zusammen, man findet halt auch die Ruhe, man geht in die Moschee und betet und das ist einfach sehr friedlich und freundlich und die Kinder machen da auch gerne mit und wollen halt einfach Teil haben an dem ganzen Geschehen und am Ende belohnen wir uns halt mit unserem Fest.“

 

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Das sogenannte Zuckerfest – der zweitwichtigste muslimische Feiertag. Für Nichtmuslime gilt der Ramadan vor allem als eine Zeit der Kasteiung. Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang verzichten die Gläubigen auf Nahrung – das heißt auf Essen und Trinken. Natürlich gelten Ausnahmen vom Fastengebot. Zum Beispiel bei Krankheit, Schwangerschaft, schwerer Arbeit oder auf Reisen. In solchen Fällen kann das Fasten nachgeholt werden. Dem Eindruck, dass es dabei nur um eine ungeliebte religiöse Pflicht ginge, widerspricht Cakmak.

 

O-Ton 3, Hannah Cakmak, 33 Sekunden

Ja, ich mach es unheimlich gerne, es ist zwar super anstrengend, es kostet auch sehr viel Kraft, ich arbeite ja auch voll und hab auch die drei Kinder und es ist ein langer Tag, es ist sehr anstrengend, aber es ist auch schön. Und vor allem es ist auch nicht so, dass man nur wegen Essen und Trinken fastet, man soll halt auch noch mal so zur Ruhe kommen in Gedanken, dass einfach Magen und Gehirn auch mal nicht nur zu tun haben, dass man auch einfach frei für Gedanken ist, was kann ich denn wieder neu starten nach diesem Monat oder in diesem Monat.“

 

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Ramadan ist aber nicht nur ein Fest für Muslime, wie sie betont. Denn zum Fastenbrechen, das jeden Abend stattfindet, sind alle herzlich eingeladen. Eine gute Gelegenheit also zum gegenseitigen Kennenlernen. Doch Cakmak bedauert, dass die Bedeutung des Ramadan von Nichtmuslimen kaum wahrgenommen werde. Um das zu ändern braucht es nicht viel. Meist reichen schon gute Wünsche zum Fest. Das kann Toprakotlu nur bestätigen. Gleiches gelte laut Pauli auch für den Unterricht. Natürlich kann das Abitur nicht einfach verschoben werden, weil es dieses Jahr auf den Ramadan fällt.

 

O-Ton 4, Susanne Pauli, 24 Sekunden

Da gibt es keinen Spielraum, aber es gibt Spielraum bei anderen Klausuren, bei Klassenarbeiten – und manchmal kann der Spielraum sein, man verlegt die Klassenarbeit in die erste oder zweite Stunde, wo es noch nicht so schlimm ist, statt in der achten Stunde. Und das ist eben vielleicht das größere Problem, dass der Ramadan oft ein Anlass ist, über Religion noch mal ins Gespräch zu kommen in einer Art und Weise, die nicht so günstig ist.“

 

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Pragmatische Lösungen statt Grundsatzdiskussionen. Dass Verständnis helfen kann, weiß auch Joachim Subklewe. Als Teil der Innenstadtwache von Hann.Münden hat der Polizist täglich mit Muslimen zu tun. Nicht weil die in Hann.Münden besonders straffällig wären, sondern weil der Migrantenanteil in der Innenstadt bei ca. 35 Prozent liegt. Den Anteil der Muslime schätzt Subklewe entsprechend hoch. Da läuft man sich schon mal über den Weg. Von Spannungen kann er nichts berichten. Doch als praktizierender Christ weiß er:

 

O-Ton 5, Joachim Subklewe, 20 Sekunden

Wenn sie sich mit religiösen Menschen unterhalten, dann kommen natürlich irgendwo auch religiöse Fragen auf. Und dann registriert man sehr wohl, wenn sich ein Christ auch in der Bibel wiederfindet, weil auch da gibt es ja zwischen Bibel [und dem] Koran Schnittmengen – ich will es vielleicht einfach mal so formulieren: es hat mir durchaus die ein oder andere Tür hier aufgemacht und wird auch durchaus positiv gesehen.“